Sie sind die Konsensband des Rock'n'Roll. Das Generationenprojekt, auf das sich Jung und Alt einigen können. Bei ihnen geht es nicht um die hehre Kunst, sondern um Spaß, Lärm und gestandenes Rock-Handwerk. Und auch nach mehr als 40 Jahren füllt das australische Rockkraftpaket AC/DC die größten Stadien der Welt. Auch das Olympiastadion ist am Donnerstagabend mit 70.000 Besuchern ausverkauft, als AC/DC im Rahmen ihrer „Rock Or Bust"-Welttournee in Berlin Station machen.
Die durchaus imposante Bühne wirkt in dem riesigen Stadion fast ein wenig verloren. Gleich zwei Vorgruppen stimmen ein auf den Abend mit einer Legende des Rock 'n' Roll. Zunächst The Whiskey Foundation aus München, gefolgt von der furiosen Rhythm-'n'-Soul-Band Vintage Trouble aus Los Angeles. Dann schießt auf der Riesenleinwand ein glühend leuchtender Feuerball in Richtung Erde, und im Stadion ist kein Halten mehr. Teufelshörnchen (mit Batterie für 10 Euro am Merchandise-Stand zu haben) blinken zu Tausenden, Arme recken sich in die Höhe, „Angus, Angus" ruft es Richtung Bühne.
Zu Donner, Blitz und Feuerwerksgetöse steigt Gitarrist Angus Young Punkt 20.45 Uhr durch den Nebel an die Bühnenrampe und schabt das knochentrockene Riff zum neuen Song „Rock Or Bust" in die Saiten. Und Sänger Brian Johnson keucht unter Hochspannung ins Mikrofon. AC/DC nimmt Berlin im Sturm. Und bietet gut zwei Stunden lang Rock-'n'-Roll-Schwerstarbeit alter Schule.
Die Stoßrichtung ist von Anfang an gesetzt. Keine Kompromisse. Keine Experimente. Und schon gar keine Balladen. Bei AC/DC wird der Rock 'n' Roll in all seiner pompösen Schlichtheit gepflegt. „Shoot To Thrill" von 1980 gibt's gleich als zweites Stück des Abends, gefolgt vom Frühwerk „Hell Ain't A Bad Place To Be" vom 79er-Album „Let There Be Rock". „Hallo Berlin", ruft Brian Johnson in die Menge. Sie seien viel zu lange weg gewesen, sagt er, aber: „Tonight we're gonna play Rock and Roll in the Partystadt all night long." Und das tun sie dann auch.
Ansonsten gibt sich die Band eher wortkarg und arbeitet sich, mitunter mit langen Pausen zwischen den Stücken, lieber an ihren kantigen, geradlinig arrangierten Klassikern ab. Die sind geprägt von eingängig harten Riffs, geradeaus hämmernden Beats, knappen Strophen und Refrains, die jeder mitgrölen kann. Und genau das wird auch getan im Publikum, in dem gefühlt jeder Zweite in einem AC/DC-T-Shirt steckt.
Eine kleine dreckige Rockband in Jeans und T-Shirt
Der Bühnenaufbau ist imposant. Die halbrunde Bühneneinfassung wird von zwei Teufelshörnern gekrönt. Zwei hochformatige LED-Wände, größer als die gesamte Spielfläche, flankieren den Aufbau. Dreistöckig türmen sich die Marshall-Boxen über die volle Bühnenbreite. Das braucht zwar kein Mensch, sieht aber einfach gut aus.
Und mittendrin steht da diese kleine dreckige Rockband in Jeans und T-Shirt, die in handwerklicher Perfektion und immenser Lautstärke ihr Lebenswerk ausbreiten, mit Songs von ausschweifenden Liebesabenteuern und juveniler Rock'n'-Roll-Aufmüpfigkeit. Brian Johnson malträtiert seine Stimme so dermaßen gnadenlos, dass man sich andauernd an seiner Stelle räuspern will. Er hat seine Stimmbänder auch mit 67 Jahren bewundernswert im Griff. Angus Young hastet mit autistischer Ruhelosigkeit und in roter Schuluniform übers Areal und schwelgt in seinen über Jahrzehnte gereiften Gitarrenläufen.
Fünf Jahre ist es her, seit AC/DC zuletzt im Olympiastadion aufgetreten sind. In der Zwischenzeit gab es einige Besetzungswechsel. Der an Demenz erkrankte Bandgründer Malcolm Young musste den Dienst quittieren, an seiner Stelle ist nun Neffe Stevie Young der neue Mann an der Rhythmusgitarre. Und für Phil Rudd, der wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord und Drogenvergehens in Australien festsitzt, ist nun Chris Slade der Mann am Schlagzeug. Der 68jährige Slade war einst Gründungsmitglied von Manfred Mann und trommelte schon mal Ende der 80er-Jahre für einige Zeit bei AC/DC. Bassist Cliff Williams komplettiert das Kraftpaket.
Besinnung auf das Wesentliche
Nichts wird dem Zufall überlassen. Kein Ton zu viel. Virtuosität liegt hier in der Besinnung auf das Wesentliche. Bis auf die ausgefeilten solistischen Eskapaden von Angus Young, die gegen Ende des Konzerts immer länger werden. Und sie kommen alle, die beinharten Hits, von „Back In Black" und „Hells Bells" über „High Voltage" und „T.N.T." bis zu „Whole Lotta Rosie" mit diesem Jahrhundert-Riff, bei dem wieder eine gigantische, prallbusige, luftgefüllte Rosie-Figur über der Bühne thront.
Zum Finale lässt sich Angus Young, inzwischen hat er auch sein Hemd in die Ecke geworfen, beim überbordenden Solo zu „Let There Be Rock" im Konfettiregen auf einem hydraulischen Podest in die Höhe fahren. Nur „The Jack" fehlt diesmal im Repertoire, jener Song, bei dem Young einst mit schöner Regelmäßigkeit seinen Hintern entblößte. Aber mit 60 Jahren wird man eben doch ein bisschen zurückhaltender.
In glasklarem Sound und breitflächiger Lichtregie wird hier dem puren Rock gehuldigt. AC/DC pflegen ihren einmal gefundenen Stil und es besteht auch nicht der geringste Grund, an diesem so bodenständigen wie schlagkräftigen Rockgebräu etwas zu verändern. Ihre Fans lieben sie dafür. Im Zugabenteil geht es über den „Highway To Hell" in gleißend hellem Licht direkt zum finalen „For Those About To Rock (We Salute You)". Ausgewachsene Kanonen werden aufgefahren. Es wird geböllert, was das Zeug hält. Feuerwerk inklusive.