Architekt Tom Kaden: Von wegen Blockhütte
Sein Ziel ist klar. „Ich will den Holzbau in die Innenstadt holen“. Tom Kaden ist ein Pionier. Seit 23 Jahren engagiert sich der Architekt für Holzbau. Erst waren es kleinere Projekte wie Einfamilienhäuser, mittlerweile geht es um andere Dimensionen: Mehrfamilien- oder sogar Holzhochhäuser.
Und auch, wenn sich Kaden, wie er im Gespräch betont, nicht für Rekorde interessiert, kann der 53-Jährige sie vorweisen. Beispielsweise das Projekt „E 3“. Der von Tom Kaden und seinem damaligen Büropartner Thomas Klingbeil 2006 geplante moderne Siebengeschosser für eine Baugruppe dreier Berliner Familien sorgte gleich nach der Fertigstellung für Furore.
Das 22 Meter hohe Gebäude an der Esmarchstraße 3 in Prenzlauer Berg wurde 2008 als Europas höchstes Holzhochhaus gefeiert. 2009 erhielt es den Deutschen Holzbaupreis. Auch der Siebengeschosser in der Christburger Straße 13 in Prenzlauer Berg (Foto rechts) ist für den Deutschen Holzbaupreis 2015 nominiert.
„Da geht noch mehr"
Die Qualität der Häuser hat Bestand, die Höhen-Rekorde nicht. Den hält indes ein Zwölfgeschosser in London. „Macht nichts“, sagt Kaden, und dabei wirkt er ganz entspannt. „Wir wollen da schließlich nicht in einen Wettlauf einsteigen, sondern vielmehr herausfinden, was im Holzbau geht und schauen, was dabei sinnvoll ist.“ Eins sei jedoch schon absehbar, ergänzt der Geschäftsführer des Architekturbüros „Kaden + Partner“: „Da geht noch mehr“. Bis zu 20 Geschosse im Holzbau hält Kaden nach jetzigem Stand für realisierbar. Gerade in Großstädten wie in Berlin sei Holzbau wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll. Das haben auch Berlins Wohnungsbaugesellschaften erkannt. Kadens Büro plant beispielsweise für die landeseigene Gesobau Holzhäuser mit 46 Wohnungen an der Blankenburger Straße in Pankow.
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Technischen Universität München (TUM) plant Kaden zudem aktuell Deutschlands höchste Holzhochhäuser in Flensburg: zwei Türme mit bis zu elf Geschossen, unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Der Theorie des Holzhochbaus widmet sich der Wahlberliner zudem in einem Projekt an der TU Berlin. Freie Flächen und Wohnraum werden in den Städten knapp. Da liegt es für Kaden auf der Hand, den Holzbau auch in die Höhe weiterzuentwickeln.
Dabei sind bislang eigentlich nur fünfgeschossige Gebäude in Holzbauweise erlaubt. Doch es gibt Ausnahmegenehmigungen von der Bauordnung. Vorausgesetzt, die Planer weisen entsprechenden Brandschutz nach. Für seinen ersten Hochbau entwickelte Kaden in Zusammenarbeit mit „Dehne und Kruse Ingenieure“ eine, wie er heute sagt „ganz einfache Lösung. Die Abweichung vom Baurecht überbrücken wir unter anderm damit, dass wir eine Rauchmeldeanlage im ganzen Haus vernetzt und eine sogenannte trockene Steigleitung eingebaut haben.“ Letztere ist ein Stahlrohr, das durch alle Geschosse führt und der Feuerwehr im Falle eines Brandes ermöglicht, den Löschschlauch durch alle Stockwerke hochzuziehen.“ Die Brandschutzgesetze bezüglich Holzbauten betrachtet Kaden als überholt. „Das hat viel mit unserer Geschichte zu tun, in Deutschland denken alle an brennende Städte im Zweiten Weltkrieg“, so Kaden. Dabei sei Holz auch ein sicherer Baustoff. „Bei einem Brand hält es länger als Stahl“, sagt der Architekt.
Konstruktionen aus Holz können einem Feuer lange Widerstand leisten. Kaden betont, dass ein dicker Holzbalken nicht schnell abbrennt. Es dauere eine Weile, bis die statische Funktion verloren gehe. Die angebrannte Holzoberfläche bilde vielmehr eine Schutzschicht, die das Abbrennen verzögert. Kaden betont, dass dies mittlerweile auch jeder Feuerwehrmann wisse. Sein Entwurf für eine Feuerwache in Blankenfelde sei im Übrigen auch aus Holz. Der Planer lächelt.
Für Kaden sind die Vorteile des Bauens mit Holz eindeutig: „Holz ist ein Rohstoff, der nachwächst, er bindet CO2, lässt sich aufgrund seiner Leichtigkeit und präzisen Verarbeitung gut vorfertigen und schafft ein gutes Raumklima.“ Holz ermögliche zudem eine „natürliche Niedrigenergiebauweise“, denn dank seiner guten Wärmedämmeigenschaften ließe sich bereits mit vergleichsweise geringen Wandstärken eine hohe Dämmwirkung erreichen, führt er nur einige der Argumente für den Holzbau an. Nicht zu vergessen, die Bauzeit. „Ein Rohbau in Holzkonstruktion lässt sich zudem zügig errichten.“
„Wir haben keine Lobby"
Warum angesichts dieser vielen Argumente Holzbauten nach wie vor etwas Besonderes seien? „Wir haben keine Lobby. Weder in Brüssel noch in Straßburg sitzen Lobbyisten, die entsprechend Einfluss nehmen auf Veränderungen der Baustandards, die den heutigen Möglichkeiten des Holzbaus entsprechen.“
Holz ist für Kaden nicht nur ein Baustoff, der Architekt verbindet damit auch Kindheitserinnerungen. 1961 geboren in – zu DDR-Zeiten – Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, wuchs Kaden in einer Spielzeughandwerkerfamilie in Seiffen auf. Ein Dorf im Erzgebirge, in dem sich auch heute noch alles um das Holzkunsthandwerk dreht. Man solle das nicht überbewerten, betont Kaden. Aber er sagt auch: „Ich bin mit Holz groß geworden“.
Die Zukunft des Holzbaus sieht Kaden im Hybridbau. Damit meint er Häuser mit hohem Holzanteil, aber auch mit Beton. „Ich bin kein Öko-Architekt und auch kein Holz-Ideologe. Wir sagen nicht, wenn wir nur mit Holz bauen, wird die Welt besser. Doch Holz ist auf alle Fälle ein Baumaterial, das gerade unter dem Aspekt Klimaschutz sinnvoll ist.“
Architekt Christoph Roedig: Ein Fertighaus aus Holz
Der Anstoß kam in Argentinien. Nach dem Zivildienst reiste Christoph Roedig 1987 ein Jahr durch Südamerika. Auf der Suche nach einem Job landete der damals 21-Jährige bei einer Baukooperative im argentinischen Cordoba. Eine Gruppe sozial engagierter Architekten entwickelte ein Fertighaussystem, das künftige Bewohner später selbst aufbauen konnten mit den Architekten – „ein partizipatives Projekt mit regionalen Baustoffen“, wie Roedig sagt.
Die Beteiligung der Bewohner bei der Gestaltung ihres neuen Zuhauses ist eins der Prinzipien, die der Berliner Architekt unterdessen auch im eigenen Büro mit seinem Partner Ulrich Schop pflegt. „Roedig Schop Architekten“ arbeiten oft mit Baugruppen und nutzen für ihre Projekte seit 2007 nicht immer, aber oft Holz. „Holz ist ein nachwachsender Rohstoff mit einer super Ökobilanz“, sagt Roedig, ein ausgewiesener Holzbau-Fachmann. Der 49-Jährige ist neben den Architekten Philipp Koch, Daniel Rozynski und Matthias Schrimpf Mitbegründer und Gesellschafter des „Instituts für urbanen Holzbau“, kurz „IfuH“ genannt. Der Name des Unternehmens ist Programm. Es geht um Holzbau in der Stadt.
Für Roedig sind die Vorteile eindeutig: „Bauen mit Holz ist vor allem CO2-neutral. In die Herstellung einer drei mal drei Meter großen Betonwand stecken Sie unglaublich viel Energie. Dafür könnten Sie beispielsweise bis zu 50.000 Kilometer mit einem Kleinwagen fahren“, sagt der Architekt. Und betont ebenso wie seine Kollegen das gesunde Raumklima, das Holz schaffe. Vor allem überzeugt den IfuH-Mitbegründer die passgenaue Herstellung von Fertigbauteilen. „Holzelemente sind zudem leicht und lassen sich auch in größeren Ausmaßen gut transportieren und vor Ort zusammenbauen“, sagt der Planer. Das zahle sich angesichts weitaus kürzerer Bauzeiten im Vergleich zu konventioneller Bauweise aus. Dennoch schätzt Roedig die Kosten für Holzbauten gegenüber Betonbauten noch immer bis zu acht Prozent teurer ein. Holz sei als Baustoff etwas teurer. „Das muss ja nicht so bleiben“, sagt Roedig. Einsparpotenzial biete die Realisierung von Häusern in Baugruppen. „Denn“, so Roedig, „da geht es nicht um die höchstmögliche Rendite für Investoren.“
Investoren würden zudem oft kurzfristig denken. Was er damit meint? „Der Investor interessiert sich in der Regel nicht für langfristige Energiebilanzen oder den Sondermüll, der allein schon durch Styropordämmung in Unmengen produziert wird“ sagt Roedig. Die Wiederverwertbarkeit spiele da keine Rolle.
Zum Holzbau kam Roedig durch einen Zufall. Anlässlich eines Vortrags über sein erstes Berliner Baugruppenprojekt „Ten in One“ erfuhr er an der TU Braunschweig von dem Forschungsprojekt „fertighauscity5+“. Roedig bewarb sich und wurde Teil des Teams. Das erforschte und entwickelte 2007 zunächst ein Jahr lang den Prototyp eines Holz-Mehrfamilienhauses für die Stadt. Ein Haus mit mindestens fünf Stockwerken, das primär aus vorgefertigten Holzelementen konstruiert werden kann – deshalb der Name „fertighauscity5+“. Für die Umsetzung der Theorie in die Praxis gründeten die vier Architekten als spinoff-Unternehmen das „IfuH“. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit kann sich sehen lassen. Es steht an der Görschstraße in Pankow. „3XGRÜN“ heißt das bereits mehrfach ausgezeichnete Baugruppen-Haus. Und ein Nachfolgeprojekt der „IfuH“-Architekten ist bereits in Arbeit – wieder in Fertigbauweise. „Holzcubes“ heißen die drei Wohnwürfel aus Holz, die in Adlershof realisiert werden.
Architekt Thomas Willemeit: Mit Brad Pitt gegen Hochwasserkatastrophen
„Wir haben einen Holz-Background“, sagt Thomas Willemeit. Der Mitinhaber von „Graft Architekten“ spricht von den Anfangsjahren in Los Angeles: „In Kalifornien werden Wohnhäuser oft aus Holz gebaut, das ist da weit verbreitet und hat uns sicher beeinflusst.“ Los Angeles war lange Hauptsitz des Architekturbüros, das Willemeit 1998 mit seinen ehemaligen Studienfreunden Lars Krückeberg und Wolfram Putz in der kalifornischen Metropole gründete. Noch heute haben die international erfolgreichen Planer innovativer Bauten dort ein Office, ebenso in Peking. Der Hauptsitz ihrer GmbH liegt aber an der Heidestraße in Mitte – in einem Gewerbealtbau aus Backstein.
Dort beschäftigen sich Willemeit, Krückeberg und Putz schon seit mehreren Jahren mit nachhaltiger Architektur, regenerativen Baustoffen oder auch gesunden Wohnräumen. Themen, bei denen auch Holz eine Rolle spielt.
Ganzheitliches Wohnen
„Holz ist ein toller Baustoff, es ist nachhaltig, schafft ein gesundes, warmes Raumklima und ist ästhetisch“, schwärmt Willemeit. Er weiß, wovon er spricht. Graft Architekten haben Erfahrungen im Holzbau. Im Rahmen eines Projektes von Hollywood-Star Brad Pitt für die Flut-Opfer des Hurricans Katrina entwickelten sie hochwassersichere Holzhäuser auf Stelzen in New Orleans (USA).
In ihrer Wahlheimat Berlin stellten sie im vergangenen Jahr die Prototypen von gleich drei modern designten Plusenergiehäusern aus Holz in Zehlendorf fertig. „Holistic Living“, zu deutsch: ganzheitliches Wohnen, ist der programmatische Name der Holz-Villen in anspruchsvollem Design, die zudem dank modernster Haus- und Energietechnik mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Der überschüssige Strom dient beispielsweise auch einem Elektroauto, das die Mieter der ebenso ökologischen wie trendigen Häuser dazu buchen können.
Die Gebäude, ein Einfamilien- und ein Doppelhaus, in der Nähe des Wannsees sind in Holzkonstruktionsweise errichtet. Wandplatten und Decken sind aus Holz und auch für die Dämmung nutzen die Planer eine Holzfaserdämmung aus gepresstem Holz. „Das einzige, was nicht aus Holz ist, ist der Keller“, erläutert Thomas Willemeit.
Das Untergeschoss wurde mit Stahlbetonelementen errichtet, nicht zuletzt auch wegen der extrem hohen Feuchtigkeit unter der Erde. Wegen der hohen Feuchtigkeit in Bad- und Küchenbereich sind dort die Wände mit Lehm verputzt, sowie auch der Kaminofen im Wohnbereich. Der Mix aus Holz und Lehm hat sehr gute raumklimatische Eigenschaften. Beide Baustoffe sind ökologisch und sorgen für ein gesundes Wohnklima. „Das war uns sehr wichtig“, betont Willemeit. Heutzutage werde oft wie verrückt gedämmt, nur um keine Wärme zu verlieren. Dabei gebe es in den Räumen kaum noch Luftaustausch. „Hinzu kommt, dass im konventionellen Wohnungsbau viele Materialien verwendet werden, die krank machen können“, sagt Willemeit. Es gebe noch keine Langzeitstudien. Die Auswirkungen konventioneller Dämmung wie Styropor oder der Einsatz von Klebstoffen und Lacken sei noch nicht erforscht. Doch für Willemeit steht außer Frage: „Natürliche Baumaterialien wie Holz oder Lehmputz sorgen für eine Innenluft, die sich nicht nur besser anfühlt, sie ist auch weitaus gesünder als das Klima in einer völlig zulackierten Bude.“ Das sage einem schon der gesunde Menschenverstand, so Willemeit.
Dass Holz zudem auch gestalterisch viele Möglichkeiten bietet, beweist allein die schwungvolle Fassade der Häuser. Warum für die abgerundete Holzfassade ausgerechnet kanadisches „Oregon Piue“ verwendet wurde? „Das war eine rein ästhetische Entscheidung“, antwortet Thomas Willemeit. „Wir wollten fließende Formen. Dafür brauchten wir ein Material, das sich gut biegen lässt, nicht splittert, wetterbeständig ist und sich über die Jahre auch in der Außenwirkung nicht zu stark verändert.“
Holz ist auch Thema des „Eckwerk“-Projekts, das Graft Architekten gemeinsam mit Jan Kleihues auf dem Areal des Holzmarkts am Spreeufer entwickeln. „Wir wollen auch an diesem Ort mit Holz arbeiten“, sagt Willemeit.