Friedrich Wilhelm schaut stolz und erhaben hinaus aus dem Fenster, auf sein preußisches Arkadien. Doch was der König auf der marmornen Büste da gegenüber sieht, kann ihn kaum erfreuen: ein glotzendes Monster aus Gummischaum, das alles andere ist als ästhetisch modelliert: leere Augen, Mund ohne Lippen, die Stirn schief in Falten geschlagen. Sein Königreich ist die Hässlichkeit.
Der zauselige US-Künstler Paul McCarthy, 69 Jahre, ist für derlei künstlerische Deformationen bekannt. Der Glotzkopf ist wirklich noch eine softe Variante. Der Berserker liebt es, mit seinen Skulpturen die Dinge aufzumischen, schon mal ordentlich den Hammer zu schwingen, wenn es darum geht, Festgefügtes zu zerstören. Bei seinen Skulpturen weiß man nie, ist das ein Baum oder ein Sexspielzeug. Mit seinen grotesken, ja, grausamen Performances seziert er nicht selten die amerikanischen Mythen.
Das tun auf die eine und andere Weise auch die elf anderen Künstler, mit denen McCarthy nun zusammen unter dem Titel „Californian Rhapsody“ in der Villa Schöningen ausstellt. Künstler aus der subkulturellen, feministischen Szene in L.A.
Ihre Werke, Gemälde, Installationen, Filme, Zeichnungen stammen aus dem Fundus von Harald Falckenberg, einer der umtriebigsten Sammler im Lande. Seine Kollektion mit rund 2000 Werken und Domizil in einer Hamburger Fabrikhalle hat Weltrang. Bereits 2010 stellte der Großsammler in Potsdam aus, „Wahrheit ist Arbeit“ hieß die Schau mit Büttner, Kippenberger und Oehlen. Zum fünften Jubiläum der Villa ist er wieder da – diesmal mit seinen Amerikanern.
Anarchie im Haus
Und wieder ist ein bisschen Anarchie ins Haus eingekehrt. Es ist nun so, dass Falckenberg keine Kunst mag, die schön ist. Sie muss kantig sein, Brüche zeigen, sich an der Wirklichkeit reiben, auf jeden Fall nichts zukleistern mit vermeintlicher Schönheit oder gar dem Konsens huldigen. Dafür geht er recht weit: Für „Propposition“ zerlegten Paul McCarthy und Jason Rhoades schon einmal sein Ausstellungshaus, durchbrachen das Dach und zerstörten die Fenster, um dort aberwitzige XXL-Donuts und Ferrari-Teile zu installieren. Das Chaos wurde gefilmt. Das sieht gar nicht lustig aus, mutig ist es allemal.
„Californian Rhapsody“. Die Kalifornien-Klischees sitzen fest, sie müssen zerschlagen werden: Stars, Sternchen, Surfer, dazu Boulevards so lang wie die weißen Sandstrände. Apple, Google – der Erfolg aus der Garage, der zur Wirtschaftsmacht wird. „Da hat sich ein Kapitalismus entwickelt mit einigen Superreichen, aber jenseits dieser Glamourwelt gibt es viel Armut“, meint Falckenberg. Der Prachtbau der Villa Schöningen als Ausstellungsort hat ihn gereizt, weil hier die Gegensätze besonders stark sind. „Preußen verkörperte ja auch eine aufstrebende Weltmacht, man deckte sich hier mit toskanischen Villen ein.“
„American Tragedy“: Wenn es nach Mike Kelley geht, geht das Geld ohnehin den Bach, pardon, das Rohr runter. Seine Zeichnung zeigt ein offenes Klo, das „Kapital“ hängt als gebundenes Klopapier am Haken. Ohnehin erklärt er gleich mal die ganze Unabhängigkeitserklärung für ungültig, da wird auf das Dokument gekotzt. Mit einem Filzstift hat er ein historischen Foto einfach überkritzelt. Bei John Baldessari tragen Frauen falsche Nasen, und Ed Ruscha zeigt lauter leere Parkplätze in Vogelperspektive – trostloser und künstlicher könnte die Gegend kaum sein.
Adresse für Gegenwartskunst
Falckenberg hat selbst kuratiert, alles dirigiert, er kennt die Künstler, weiß, wie sie ticken. Für die Villa Schöningen, die keine eigene Sammlung hat, bedeutet diese subjektive Sammlungsauswahl die Möglichkeit, „exklusiv eine Schau zu zeigen, wie man sie sonst nicht unbedingt in der Öffentlichkeit sehen kann“, erzählt Leiterin Ina Grätz.
Nach Ausstellungen mit Jörg Immendorff und Olaf Metzel schließt mit Harald Falckenberg ein gutes Ausstellungsjahr in Potsdam. Mittlerweile hat sich das private Kunsthaus an der Berliner Straße zur Adresse für Gegenwartskunst im Berliner Raum entwickelt.
Das ist auch nötig: Die Berlinische Galerie wird bis in das kommende Jahr repariert, Ende Dezember schließt die Neue Nationalgalerie. So gibt es Lücken für Gegenwartskunst. Die Villa Schöningen kann eine schließen.
Villa Schöningen, Berliner Str. 86, Potsdam. Do, Fr, 11-18 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr. Bis 15. März