Film „Hin und weg“

Wie drei Kinostars über selbstbestimmtes Sterben denken

| Lesedauer: 8 Minuten
Peter Zander

Foto: Gregor Fischer / dpa

Gemeinsam haben sie einen Kinofilm über selbstbestimmtes Sterben gedreht: „Hin und weg“. Hier verraten Florian David Fitz, Julia Koschitz und Jürgen Vogel, wie sie zu dem Reizthema stehen.

Am 23. Oktober ist „Hin und weg“ im Kino angelaufen. Ein Film über Freundschaft. Über eine Radtour. Und über das Reizthema selbstbestimmtes Sterben. Wir haben die drei Hauptdarsteller zu dem Film befragt: Florian David Fitz, der als ALS-Kranker nicht mehr leben will, Julia Koschitz, die als seine Frau diese Entscheidung mittragen muss, und Jürgen Vogel als bester Freund des Paares.

Berliner Morgenpost: „Hin und weg“ ist ein Film über selbstbestimmtes Sterben. Wäre das eine Option für Sie selbst?

Julia Koschitz: Ich habe schlichtweg keine Ahnung. Ich kenne einige Menschen, die behauptet haben, wenn sie schwer erkranken, würden sie ihrem Leben vorzeitig, wenn sie noch Herr ihres Körpers und ihres Geistes sind, ein Ende setzen wollen. Und als sie in die Situation gerieten, haben sie bis zum bitteren Ende gekämpft. Das hat mich vor dieser Frage demütig gemacht. Ich glaube, das man das erst wirklich entscheiden kann, wenn man in einer solchen Situation ist. Die Auseinandersetzung, sowohl mit dem Tod als auch mit Sterbehilfe, finde ich aber ganz wichtig, wenngleich sie sicher nicht bequem ist.

Florian David Fitz: Die Frage ist mir viel zu theoretisch. Das ist eine viel zu spezifische Situation. Wie man sich entscheiden würde – das kannst du nicht, das kann ich nicht sagen. Ich verstehe meine Filmfigur, die das machen will. Würde ich das machen? Wahrscheinlich hätte ich den Mut nicht. Wahrscheinlich würde ich wirklich warten, bis es zu spät ist. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich wünsche mir natürlich, dass mir am Ende nicht irgendwelche andere Leute die Entscheidung treffen.

Jürgen Vogel: Ich denke, jeder von uns ist erst mal ziemlich freiheitsliebend und mag keine Bevormundungen. Ich habe da jedenfalls ein großes Autoritätsproblem. Und ich finde das ganz schlimm, wenn einige Menschen sich über andere erheben wollen und denen jetzt auch noch das Sterben verbieten wollen. Wir haben die Moral nicht erfunden, wir Deutsche müssen nicht immer glauben, dass wir die Deutungshoheit haben. Die Belgier oder die Schweizer sind jetzt keine schlechteren Menschen, weil sie die Sterbehilfe haben. Oder denkt das jemand ernstlich? Dann soll er das auch sagen, das wäre wenigstens mutig. Ich finde es sehr wichtig und sehr richtig, dass man das in der Schweiz und in Belgien machen kann. Ich finde es sehr schade, dass das bei uns so stigmatisiert ist. Natürlich ist das eine Einzelfallentscheidung, da kann man nicht generalisieren. Aber diese Möglichkeit müsste es auch in unserem Land geben. Ich finde das schade, dass das bei uns nicht möglich ist. Genauso wie ich es schade finde, dass nicht alle bei uns automatisch Organspender sind.

In Deutschland ist Sterbehilfe verboten, die CDU versucht auch die bisherigen Möglichkeiten weiter zu erschweren. Überhaupt scheint das Thema weitgehend tabu. Müsste die Gesellschaft offener diskutieren?

Vogel: Unbedingt. Aber da steckt ja auch eine Riesenpharma-Industrie dahinter. Man muss ja gucken: Wer verdient an so was? Nicht umsonst sitzen viele Politiker in irgendwelchen Ausschüssen von BASF und anderen Pharma-Konzernen. Ich finde es ganz schlimm, dass wir von Halbjuristen regiert werden, die alle Lobbyisten und Bedenkenträger sind. Da werden schon Interessen sein, warum man Lebenserhaltungsmaßnahmen auf Gedeih und Verderb ausreizt. Wenn sie persönlich betroffen wären, würden sie anders darüber denken. Aber genau das muss die Frage sein, die wir uns alle stellen müssen: wie wir reagieren würden, wenn es uns treffen würde.

Koschitz: Unbedingt. Deshalb finde ich es gut und wichtig, so was auch in einem Film zu behandeln. Ich bin kein Fachmann, ich fühle mich nicht qualifiziert, eine finale Äußerung dazu zu leisten, weil das Thema viel zu komplex ist, um es in der Kürze abzuhandeln. Aber die Rufe nach selbstbestimmtem Sterben scheinen mir lauter zu werden. Da ist eine Not spürbar in unserer Gesellschaft, und die muss erhört werden.

Fitz: Es gibt ja Möglichkeiten in Deutschland. Aber das weiß kaum jemand. Ich wusste das auch nicht, bevor ich mich durch den Film damit beschäftigt habe. Natürlich ist das stark reglementiert. Vom Gesetz her ist das, glaube ich, einfacher, als was die Ärzteschaft empfiehlt. Die Ärztekammer verbietet es. Das sind zwei verschiedene Sachen. Ich finde es aber gar nicht schlecht, dass wir uns so schwer tun mit diesem Thema.

Just jetzt, da der Film startet, ist das Thema wieder in aller Munde. Nicht zuletzt nach dem Selbstmord von Udo Reiter oder der 29-jährigen Amerikanerin, die an einem Hirntumor leidet und deshalb am 1. November ihrem Leben ein Ende geben will.

Koschitz: Das ist natürlich reiner Zufall, zeigt aber nur, wie virulent das Thema ist.

Vogel: Sterbehilfe, freigewählter Tod: Das ist ein Tabu-Thema. Ich finde es großartig, dass manche nicht nur still für sich diesen Weg wählen, sondern damit auch an die Öffentlichkeit gehen. Das erfordert immensen Mut. Es ist aber bei allem ja immer auch eine Frage der Kosten: Wer kann sich das leisten, ins Ausland zu reisen und dort die entsprechenden Ärzte aufzusuchen?

Fitz: Ich glaube, wir haben da alle zwei Seelen in der Brust. Wenn man hört, dass es in den Niederlanden auch Sterbehilfe für Kinder gibt, denkt man instinktiv: Was, das darf ja nicht wahr sein! Dann liest du aber die Fälle, in denen das angewendet wird, und stellst fest: Aber natürlich, das gebietet die Menschlichkeit. Es geht hier um die Würde des Menschen. Die ist ja laut Grundgesetz unantastbar. Aber tatsächlich ist sie in diesem Falle sehr antastbar.

Ich habe geheult, aber auch viel gelacht in diesem Film. Aber wahrscheinlich droht jetzt eine typische deutsche Diskussion: Darf man ein solches Thema auch unterhaltend verfilmen?

Vogel: Ich glaube, man darf im Kino fast alles. Vielleicht ist es so auch am richtigsten. Das Leben ist so. Das Leben ist nicht nur eins zu eins, mal ist man traurig, mal muss man lachen. Auch bei Trauer passieren manchmal komische Sachen. Natürlich ist das eine Herausforderung, das richtige Maß zu finden, auch für uns Schauspieler. Das war gar nicht so einfach, dass das nicht so plakativ und aufgesetzt wirkt. Natürlich hat uns das alle berührt, wir sind da nicht mit Distance rangegangen. Jeder hatte einen Bezug, eine Meinung zu dem Thema und hat das auch mit reingebracht. Das verkrampft oft ein bisschen, wie die Erfahrung gezeigt hat, davon muss man sich dann auch wieder frei machen.

Koschitz: Ich finde, ja. Es gibt nur ganz wenige Themen, die diese Grenze einhalten sollten. Das Sterben gehört zur Natur unseres Lebens. Es ist doch aberwitzig, dass wir die Augen verschließen vor etwas, dem wir uns nicht entziehen können. Das mag schmerzlich sein, aber irgendwann muss man sich mit dem Tod auseinandersetzen, weil er einem, sei es durch Verluste durch das eigene Ableben begegnen wird. Jegliche Hinwendung auf dieses Thema erleichtert einem den Umgang. Warum nicht auch eine leichtere, auch unterhaltende Art?

Fitz: Man kann darüber reden, ob man die Gewichtung gut findet. Aber insgesamt finde ich diese ewige Einteilung in E und U langweilig. Und auch etwas platt. Ich finde es gut, dass der Film versucht, dich an der Hand zu nehmen. Auf eine, ja, man traut sich kaum, das zu sagen: unterhaltsame Weise. Du gehst ja trotzdem nicht unberührt aus dem Kino. Der Film erwischt dich kalt. Und zwingt dich förmlich, Fragen übers Leben zu stellen.