Die Braut hat‘s versaut. Der durch einen üblen Kater sehr getrübte Versuch einer Rekonstruktion der vergangenen Nacht, der Nacht vor ihrem Hochzeitstag, ergibt: Vermutlich hatte sie einen ziemlich umwerfenden Abend, ganz sicher hatte sie berauschenden Sex, nicht anzunehmen, dass das mit ihrem Gatten in spe war, der ist nämlich nicht aufzutreiben. Es muss dann wohl Howard Carpendale gewesen sein, der zufällig die Suite nebenan bewohnt und eine liebevoll gewidmete CD bei der Braut hinterlassen hat.
Blöde Situation, doch Rettung naht: Die drei Brautjungfern sind im Anmarsch, man hat schließlich bereits einiges gemeinsam durchgemacht. Zusammen hat das sich Quartett in den letzten Jahren unter dem Titel „Heiße Zeiten“ in den Gastspielhäusern der Republik hormonverwirrt durch die Wechseljahre gerockt. Jetzt hat Autor Tilmann von Blomberg mit „Höchste Zeit!“ die Fortsetzung geschrieben, die unter der Regie von Katja Wolff schwer umjubelt Premiere feierte mit einem Publikum außer Rand und Band, das am Ende stehend mit den Darstellerinnen und der famosen vierköpfigen Kellner-Band Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“ sang.
Es gibt nur einen Mann – den Spiegel
Apropos „Er“: Männer gibt es auf der Bühne keine. Wenn man mal von dem sprechenden Spiegel der eleganten Grand-Hotel-Suite (Ausstattung: Susanne Füller) absieht, der den Damen bei passender Gelegenheit den, nun ja, eben Spiegel vorhält. Nur einer von vielen kleinen Einfällen, die den Abend in mehrfacher Hinsicht so bezaubernd machen. Es ist der zuckersüße ewig alte Traum der Weiblichkeit vom perfekten Leben mit Mr. Perfekt, der hier charmant zerlegt und als munteres Mädels-Musical wieder zusammen gefügt wird.
Musiker Carsten Gerlitz hat sich dafür bei den einschlägigen Herz-Schmerz-Songs der letzten Jahrzehnte bedient und 20 deutschsprachige Coverversionen getextet und arrangiert. Zu den jeweiligen Gefühls- und Lebenslagen wird dann etwa aus „Yes Sir, I can Boogie“ der Song „Schau mal, du, da hängt was“. Ja, man macht ganz schön was durch, so als Frau: Doch was soll’s, Stützstrümpfe und Cellulite hin oder her, die Damen lassen sich den Spaß nicht verderben.
Selbstironische Ode ans Frausein
Franziska Becker als freiheitsliebende, stimmgewaltige Braut nicht und schon gar nicht die drei himbeerbonbonrosanen Brautjungfern: Die „Lütte“ Angelika Mann ist als patente, langjährig vermählte Hausfrau ein kaum zu bremsendes Energiebündel. Heike Jonca stattet die Vornehme, die ihrem Scheidungstermin entgegen fiebert, mit beißendem Zynismus aus, und Nini Stadlmann gibt als junge Mutter, die schon ewig auf den Heiratsantrag ihres Langzeitverlobten wartet, nur vordergründig das nervöse Mauerblümchen.
Wie dämlich wir Frauen manchmal sind, wie verletzlich und emotional, irrational und chaotisch, na, Sie wissen schon, all das zelebrieren diese vier als selbstironische, aber stolze Ode ans Frausein. Und übrigens, all ihren Bauch-weg-Höschen-Witzen zum Trotz: Sie sehen dabei alle sehr sexy aus.
Theater am Kurfürstendamm Kurfürstendamm 206/209, Wilmersdorf.
Tel: 88 59 11 88. Di-So, bis 31.10.