Die einen dienen, die anderen werden bedient. Die einen haben jeden Anstand zu wahren; die anderen pfeifen drauf. Unten und oben, Master and Servant: Das sieht ganz nach „Downton Abbey“ aus und spielt auch zu ungefähr dieser Zeit.
Und doch: Albert Nobbs guckt noch etwas schmallippiger als die Diener jener TV-Serie und verhält sich auch sonst auffallend steif. Und erst nach einer Viertelstunde erfahren wir wieso: wenn der Diener seine Kammer mit einem Handwerker teilen muss. Und jener entdeckt: Mister Nobbs ist eine Frau.
Man müsste jetzt mal einen Test machen. Und jemanden in den Film schicken, der noch nie von Glenn Close gehört hat. Das sollte gar nicht so schwer sein. Die Close war in den 80er-Jahren mit Filmen wie „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „Gefährliche Liebschaften“ ein echter Star, dann hat sie aber fast nur noch Theater und Fernsehen gemacht. In den USA ist ihre Serie „Damages“ ein Hit, bei uns wurde nur die erste Staffel ausgestrahlt.
International strahlt ihr Stern nicht mehr so hell. Wer Glenn Close aber nicht kennt, der wird in „Albert Nobbs“ wirklich überrascht, wie sie ihr Geschlecht, ihre Figur, ihre Ausstrahlung famos kaschiert, ja unterdrückt.
Wenn Männer in Frauenkleider steigen, ist das meist eine Komödie, wenn Frauen sich als Männer ausgeben, eher eine Tragödie. So auch hier: Nobbs wurde jung ins Elend gestoßen und vergewaltigt. Deshalb hat sie sich als Mann neu erfunden, weil die starren Sitten alleinstehenden Frauen im Dublin des späten 19. Jahrhunderts ein eigenständiges Leben verbieten.
Gefangenschaft statt Befreiung
Travestie als Überlebensstrategie: Das wird aber nie als Befreiung erlebt, sondern immer als Gefangenschaft. Ein Leben lang muss sich der falsche Herr verbergen. Und Angst vor der Entdeckung haben. Als besagter Handwerker aber die Charade erkennt, knöpft der nur lachend sein Hemd auf und entblößt seine Brust: Auch dieser Mann ist eine Frau. Da erkennt Mr. Nobbs: Es gibt noch mehr von seines-, von ihresgleichen, die unter falscher Identität leben.
Glenn Close hat diese Rolle schon vor 30 Jahren auf der Bühne gespielt. Sie hat am Drehbuch mitgeschrieben und als Produzentin den Film vorangetrieben. Dass der Film, trotz Oscar- und Globe Nominierungen, erst jetzt, mit zweijähriger Verspätung in unsere Kino kommt, sagt einiges über die Mutlosigkeit deutscher Verleiher aus. Und leider auch über den gesunkenen Star-Nimbus der grandiosen Darstellerin.