Mehr als 3000 Jahre ist sie alt, ihre Schönheit unbestritten. Am Nikolaustag vor hundert Jahren wurde Nofretete vom Team um den Ägyptologen Ludwig Borchardt im Sand ausgegraben. Die Berliner Jubiläumsschau „Im Licht von Amarna“ will mehr, als nur die Königin feiern. Das kann man in Berlin ohnehin jeden Tag.
Diese Leistungsschau der Ägyptologie setzt bewusst aufs Detail, auf das Einzelteil in der Summe als Exponenten der antiken Kulturgeschichte. 1200 Objekte sind zu sehen. Nichts für einen Schnelldurchgang. Die Direktorin Friederike Seyfried hatte schon vor der Eröffnung gewarnt: „Die Ausstellung wird sehr kleinteilig“, also wissenschaftlich akribisch, aber keine Angst, sie ist pädagogisch sehr lebendig aufgearbeitet. Die Sensation ist, dass dieses Fundspektrum, im Umfeld der Grabungen bis 1914 entdeckt, in dieser Breite noch nie öffentlich präsentiert und nun erst im Zuge der Schau aufgearbeitet wurde. Die Artefakte illustrieren wie reich die ägyptische Kultur tatsächlich war. Und wie reich Berlin heute ist. Fünf Tipps, wie Sie die Nofretete-Ausstellung im Neuen Museum genießen können.
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1)Die Königin als First Lady entdecken: Sie thront standesgemäß dort, wo sie immer residiert, im Nordkuppelsaal, gesichert wie eine wahre First Lady und gänzlich unberührt vom Trubel der Sonderschau. In feines Licht getaucht scheint sie ihrer, ja, unserer Zeit enthoben. Ein bisschen ist es vielleicht wie zu ihren Lebzeiten, das Volk huldigt ihr, und sie bleibt recht cool den Ehrerbietungen gegenüber. Ihre klassische Schönheit überstrahlt das Tagesgeschäft, wie schon zu Hochzeiten in Amarna. Die ganze Stadt mit all ihren Anlagen war damals mit Abbildungen geschmückt, die Bewohner waren fasziniert von der „göttlichen Triade Aton-Echnaton-Nofretete“. Anders als heute gab es keine medialen Multiplikatoren, die vom königlichen Leben berichteten. So konnte sich das Volk buchstäblich satt sehen an seinem Herrscherpaar in Form von Bildnissen, Reliefs, Stelen und auch Grabplatten. Üblich war, dass in jedem Haus ein Altar aufgestellt war, mit dem großen Lichtgott Aton und der Königsfamilie. Nofretete anzuschauen wird nie langweilig. Schon ihr Entdecker Ludwig Borchardt notierte damals euphorisch: „Beschreiben nützt nichts, ansehen!“
2) DieWerkstatt des Bildhauers besuchen: Der Hofbildhauer Thutmosis muss ein wohlhabender Mann gewesen sein, er stand ja in der Gunst des Königspaares. Er wusste, wie man idealisiert. Wie ein Grundriss aus Holz zeigt, ließ er drei Mal seinen Wohnkomplex vergrößern. Alles dabei, Brunnen, Getreidespeicher, Wohnräume, Mülldeponie, selbst hier gab es ja Funde. In seinem Refugium wurde die Nofretete in einem kleinen, unspektakulären Durchgangsraum, in P. 47.2, wie es heißt, entdeckt, unweit davon lag die Büste ihres Mannes. Nofretete war wahrscheinlich einfach nur ein Werkstattmodell zur Vervielfältigung weiterer Büsten. Echnatons Zustand allerdings war weit weniger gut als der seiner Frau. Sein Bildnis zerstörten seine Nachfolger mutwillig, um sein Andenken auszulöschen. Echnaton wurde für diese Schau aufwendig restauriert. Die Forschung geht davon aus, dass diese zwei Arbeiten – als Gegenbilder – zusammen gehören.
3)Das antike Kosmetiktäschchen öffnen: Hier werden Frauenherzen höher schlagen, in der Sektion Handwerkergruppen und Gewerbe dreht sich alles um den Alltag in Amarna. Wie wohnte man, wie kochte man? Ja, wie schminkten sich die Frauen, deren Vorbild die Schönheit Nofretetes war? Die Ausstattung des Kosmetiktäschchens bei den Damen am Nil aus der gehobenen Gesellschaftsschicht konnte sich sehen lassen. Der Schminkgriffel und die Kohlepaste sorgten für den markanten Lidstrich. Nofretetes Augenbrauen sind so stark nachgezeichnet, als hätte es damals schon Permanent-Make-up gegeben. Schicke Alabastagefäße waren gefüllt mit duftenden Fetten. Dekorative Muschelhälften dienten zur Aufbewahrung für winzige Schmuckstücke.
Bei den Herren ging es eher brachial zu: das Rasiermesser sieht so aus, als könne man damit besser Steak schneiden. Das besondere Blau der Nofretete war in vogue für die Damenwelt, verwendet wurde es auf Kettenanhängern, Vasen, Schalen, Fliesen oder sogar dem farbigen Bumerang. Er war allerdings nicht zum Jagen gedacht, sondern als edle Grabbeilage. Dank des guten Bindemittels der Ägypter haben sich die Farben auf den Scherben und Fragmenten verblüffend gut erhalten. Die Motive für Schmuck und Möbiliar waren von der Natur inspiriert: Tiere, Blumen, Blätter und Blüten. Gerade die Fliesenmotive erinnern mit ihren floralen Mustern stark an den Jugendstil. So holten sich die Ägypter ihren Garten nach drinnen, den es in der Wüste nicht gab.
4)Im Tagebuch des Ausgräbers blättern: 12.40 Uhr. „Zu Bett nach diesem Duseltag.“ So notierte Ludwig Bochardt am legendären Fundtag der Nofretete in seinem Buch. Punkt 6.30 Uhr morgens hatte sich die Grabungstruppe mit 180 Mitarbeitern an die Arbeit gemacht. Bei 23 Grad. Das Gute der Ausstellung ist, dass multimediale Info-Stationen authentisch Forschungsergebnisse sowie das Leben in Amarna vermitteln, aufzeigen wie die Gesellschaft in dieser Stadt funktionierte, die bis zu 50.000 Einwohner zählte.
Oder der Besucher schaut Ludwig Borchardt quasi über die Schulter, bewegt sich mit ihm durch die kargen Fundfelder von einst, nichts als sengende Hitze und steinerne Grundrisse der einst blühenden Metropole. Barry Kemp, Professor aus Cambridge, ist der Borchardt von heute, forscht seit 35 Jahren und gräbt immer weiter in Amarna. Wie er da so steht, im sandigen Nichts, der Basthut beult sich im Wind, weiß man, das ist wahre Leidenschaft: Jede Scherbe erzählt bei ihm ihre eigene Geschichte.
5) Die Geheimnisse derNofretete zum Nachlesen:
Unzählige Bücher und Bildbände gibt es zum Thema, zumal es in der Forschung bekanntlich noch viele offene Fragen gibt. Nofretete wahrt ihre Geheimnisse. Als Klassiker gilt der renommierte Ägyptologe Hermann A. Schlögel, in seinem Beck-Band („Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin“, 8,95 Euro) beschreibt er sie als taffe Kulturrevolutionärin, die sich mit ihrem Mann auf gleicher Augenhöhe befand.
Im „Fall der Nofretete“ bürstet G.F.L. Stanglmeier (Herbig Verlag, 19,99 Euro) die Forschungsergebnisse etwas ketzerisch gegen den Strich, legt die „Sex-Akte“ der Nefertiti, wie sie auch genannt wird, vor. Angeblich war sie kein Kind von Traurigkeit und trug gerne bestickte Negligees. Allen Ernstes geht er der Frage nach, ob die Königin nicht Alkoholikerin war. Sie stand wohl auf Gerstensaft, und hatte, so der Autor, in den erhalten gebliebenen Wandzeichnungen „nicht gerade selten“ ein Trinkgefäß in der Hand. Das Buch jedenfalls liest sich wie ein munter vertratschter Wüstenthriller der „Upper Class“.