Der Berliner Rapper Sido hat einen Imagewechsel hinter sich. „Arschfickersong“ ist von gestern, heute stimmt er eher optimistischere Töne an. Am 30. Oktober erscheint seine neue CD „Aggro Berlin“. Darauf offenbart er seine Ost-Berliner-Herkunft. Im Interview verrät er sogar, dass er bei der Bundestagswahl für die Linke gestimmt hat.

Am 30. Oktober erscheint das neue Studioalbum von Rapper Sido – sein viertes bislang und das erste, das vollständig bei Universal produziert wurde. Korrespondentin Tamara Bartlitz sprach mit dem Musiker über den musikalischen Neuanfang nach dem Ende des Indie-Labels Aggro Berlin, den Wahlausgang und seine Pläne für das nächste Jahr.

Frage: Mit „Hey Du“, der Single-Auskopplung aus dem neuen Album „Aggro Berlin“, covern Sie „Marias Lied“ aus dem Erfolgsmusical „Linie 1“. Warum gerade dieser Song?

Sido: Ich hab immer Mitleid mit Maria gehabt, wenn ich den Film gesehen habe. Irgendwann hab ich ihr Lied mal wieder bei YouTube gehört. Da wusste ich, das wird dein Chorus. Und dann hab ich gedacht, was erzählst du jetzt den Leuten von dir, was du noch nie erzählt hast...

Frage: ...und haben einen Text geschrieben, der Ihre ostdeutsche Herkunft offenbart. Nicht mal Ihr Freund Bobby Dick hat gewusst, dass Sie aus dem Prenzlauer Berg stammen und nicht aus dem MärkischenViertel.

Sido: Wir haben damals eine Menge Lieder über Westberlin gemacht. Sind mit Westberlin-T-Shirts rumgelaufen. Ich war einfach zu tief drin in der Westberlin-Sache. Ich wollte es Bobby sagen, bevor die ersten Promotiontexte zu „Hey Du“ raus waren, aber die anderen waren schneller.

Frage: Mit dem Album haben Sie ihre musikalische Bandbreite drastisch erweitert. Ein Neustart für den Musiker Sido?

Sido: Ja, für mich wurde es auch Zeit. Lieder wie der „Arschficksong“ haben meinem früheren Leben entsprochen. Ich hab damals in einer Wohnung auf dem dritten Hinterhof gelebt. Damals war mir mein Leben scheißegal. Ich hätte morgen tot sein können und es hätte außer meiner Mutter niemanden interessiert. Jetzt interessiert es mich selber, morgen nicht tot zu sein. Mittlerweile bin ich krankenversichert, habe einen Ausweis, kann reisen und habe meinen Sohn wieder, den ich vier Jahre nicht gesehen habe. Das sind alles Sachen, die möchte ich nicht verlieren. Meine Musik hat sich mit mir verändert.

Frage: War das Ende Ihres Heimat-Labels Aggro Berlin in gewisser Weise ein Glücksfall für Sie?

Sido: Nein, Glücksfall würde ich nicht sagen. Den Deal mit Universal habe ich schon vor dem Aus von Aggro gemacht. Aber es gab schon Unstimmigkeiten mit Aggro Berlin.

Frage: Ihre neuen Texte sind an vielen Stellen richtig optimistisch. Spiegelt das Ihr jetziges Leben?

Sido: Ich hab diesen Kampf nicht mehr, ich bin da, wo ich hin wollte. Mit dem Optimistischen halt ich mich auch selber hoch. Aggro Berlin war acht Jahre lang ein schönes, gemachtes Nest. Der Bruch mit Aggro und dieser ganzen Zeit, das ist ein Neuanfang. Und jeder Neuanfang birgt ein Risiko. Vielleicht funktioniert mein Album mit Universal nicht und das nächste macht keiner mehr, weil dieses floppt. Kann alles passieren. Optimismus ist meine Art, mit den Dingen umzugehen.

Frage: Der Kabarettist Kurt Krömer hat hinreißende Skits beigesteuert. Wie kam's dazu?

Sido: Ich mag ihn – und ich nehme mal an, dass er mich auch mag, obwohl er mir das noch nie gesagt hat. Auf jeden Fall bin ich mehr beeindruckt von seiner Kunst als er von meiner. Ich finde es großartig, dass er auf meinem Album ist und glaube, dass es durch ihn noch um einiges aufgewertet wird.

Frage: Vor der Bundestagswahl haben Sie für eine TV-Sendung mit prominenten Politikern gesprochen. Wie zufrieden sind sie denn mit dem Wahlausgang?

Sido: Ich müsste damit eigentlich sehr zufrieden sein, weil es so meinem Konto am besten geht. Aber: Ich bin der einzige in meinem Freundeskreis, dem es so gut geht. Ich musste für eine starke Opposition wählen gehen. Im Bundestag kommt das Geschrei immer von da, wo die Linken sitzen. Mir ist erstmal Latte, ob das Sinn macht, was da einer schreit. Ich will, dass da überhaupt einer aufsteht und schreit. Deshalb hab ich die Linken gewählt.

Frage: Was steht bei Sido demnächst an?

Sido: Ich bin gerade mit meiner Tour sehr beschäftigt, die am 20. November beginnt. Ich werde mit einer Live-Band unterwegs sein, das heißt viele Proben. Dann machen wir einen Film, bei dem ich das Drehbuch mitgeschrieben habe und die Hauptrolle spielen werde. Eine Geschichte aus dem Märkischen Viertel. Im Moment casten wir, im April sollen die Dreharbeiten beginnen. Und im nächsten Jahr wird es ein MTV-Unplugged geben, auf das ich mich sehr freue. Das ist eine große Ehre für jeden Musiker.