Als Rapper mit der Maske wurde er berühmt. Nun hat der Berliner Sido für MTV ein Unplugged-Konzert aufgezeichnet. Das war die Krönung seiner Karriere, sagt er im Interview mit Morgenpost Online - und spricht auch über Ruhm, Zeiten, in denen er hungerte, seinen Sohn und das Karriereende.

Morgenpost Online: In schwarzem Hemd, Mittelscheitel, Krawatte und Streberbrille sieht man Sie bei MTV unplugged – trotzdem ist eine Ihrer ersten Bewegungen der Griff in den Schritt – ein letztes Relikt an die guten alten Hip-Hop Zeiten?

Sido: Das ist kein richtiges In-den-Schritt-greifen. Das ist doch nur so ein Hose hochziehen.

Morgenpost Online: Erklären Sie den Unterschied zwischen Ihrer Art, die Hose hochziehen und zwischen die Beine greifen.

Sido: Ich habe mir noch nie in den Schritt gegriffen, weil mich das an Michael Jackson erinnert, und das find ich affig.

Morgenpost Online: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit MTV?

Sido: Die haben mich gefragt, ob ich das machen möchte. Ich glaube, jeder Künstler, der das angeboten kriegt, muss da nicht lange überlegen und sagt ja.

Morgenpost Online: Ein Lied machen Sie zusammen mit Adel Tawil von „Ich&Ich“ – kommerzieller geht es nicht.

Sido: Stimmt. Oder doch – mit Andrea Berg. Wäre wahrscheinlich noch kommerzieller.

Morgenpost Online: Stört Sie der Vorwurf nicht, mittlerweile zu kommerziell zu sein?

Sido: Naja, ich habe aber meine Sicht nicht geändert, sondern bin der Gleiche geblieben.

Morgenpost Online: Wie können Sie noch dieselbe Sicht haben, wenn sich Ihr Leben um 360 Grad gedreht hat? Sie sind aus dem Ghetto in eine schöne Wohnung gezogen, fahren ein großes Auto und haben einen Bodyguard.

Sido: Naja, die Perspektive hat sich geändert. Ich hab immer noch denselben Fokus. Mir sind die gleichen Sachen wichtig wie damals: Freundschaft, Loyalität und Familie. Das sind die wichtigsten Sachen auf der Welt. Geld kann nichts daran ändern.

Morgenpost Online: Wie ist das mit der Maske, die Sie am Anfang Ihrer Karriere getragen und erst 2005 bei Stefan Raab abgenommen haben?

Sido: Ich würde die Maske von Anfang an gar nicht mehr aufsetzen.

Morgenpost Online: Aber das war doch Ihr bester Marketing-Gag.

Sido: Marketing, genau.

Morgenpost Online: Ohne die Maske wären Sie doch niemals so weit gekommen.

Sido: Ja, aber das wäre mir egal.

Morgenpost Online: Sagen Sie das nicht nur jetzt im Nachhinein, weil alles gut gelaufen ist und Sie erfolgreich sind?

Sido: Nö.

Morgenpost Online: Zurück zum Märkischen Viertel. Ist die Ghettoisierung in Berlin anders als in anderen deutschen Städten?

Sido: Ich kenne nur das Märkische Viertel. Die Frage ist mir auch zu politisch. Über andere Viertel mach ich mir gar keinen Kopf. Ich muss an mein eigenes Umfeld denken. An meinen kleinen Kreis. Was darüber hinaus passiert, ob andere Leute auch in so einem Viertel leben oder was auch immer, ist mir egal.

Morgenpost Online: Apropos Politik: Sie haben für ProSieben die Sendung „Sido geht wählen“ gedreht. Übernimmt man da nicht Verantwortung für die Jugend?

Sido: Ja, aber das mach’ ich auch nur für mein Umfeld.

Morgenpost Online: Aber sind Sie dadurch trotzdem in eine neue Vorbildfunktion gekommen...

Sido: Ja, das ist auch schön. Aber meine Intention, diese Sendung zu machen, ist nicht, die Welt oder was auch immer, sondern meinen kleinen Kosmos zu verändern. Mein Sohn und mein Umfeld sollen bitte wählen gehen. Ich bin der Meinung, mein Leben ist gerettet. Ich habe jetzt alles was ich jemals wollte und noch mehr. Meine nächste Aufgabe ist, mich um meine Nächsten und um mein Umfeld zu kümmern. Da gehört Politik – ob ich’s will oder nicht – dazu.

Morgenpost Online: Nur mit Ihrem Viertel wären Sie jetzt nicht einer der bekanntesten Rapper.

Sido: Ich kann Ihnen eine Sache sagen: Wäre ich nicht der Vorzeige-Rapper des Landes, könnte ich abends trotzdem glücklich einschlafen. Ich brauch das alles nicht. Mir ist all das, was ich hier habe, nicht wichtig. Mir ist wichtig, dass ich keinen Hunger mehr haben muss, dass ich verreisen kann, wann ich will, dass ich mir um Geld keinen Kopf machen muss. Auf den Ruhm kann ich von heute auf morgen verzichten.

Morgenpost Online: Sie haben doch nicht wirklich gehungert?

Sido: Natürlich. Ich hab wochenlang Toastbrot mit Zwiebeln gegessen. Und Zwiebeln, damit es überhaupt nach irgendwas schmeckt.

Morgenpost Online: Sie haben irgendwann einmal gesagt, dass Sie auf keinen Fall mit 35 noch auf der Bühne stehen. Sie sind jetzt 30 – was machen Sie also in fünf Jahren?

Sido: Ich kann unmöglich mit 35 Jahren das Sprachrohr der Jugend sein, und das ist man ja zwangsläufig als Rapper. Ich finde mich jetzt schon zu alt.

Morgenpost Online: Sie sind der siebte deutsche Künstler, der bei MTV unplugged mitmacht. Ist das eine besondere Ehre?

Sido: Eine große Ehre, quasi ein Ritterschlag. Das hat meiner jetzigen Karriere noch mal die Krone aufgesetzt. Und was kommt nach der Krone?

Morgenpost Online: Ich weiß es nicht, sagen Sie es mir.

Sido: Der Tod. Die Guillotine.

Morgenpost Online: Und dann der Himmel?

Sido: Klar. Dahin möchte ich. Wer will nicht dahin? Wollen Sie in die Hölle?

"MTV unplugged" mit Sido, aufgezeichnet im Fontane-Haus im Märkischen Viertel, Donnerstag, 20. Mai, 19.30 Uhr bei MTV. Am Freitag, 21. Mai erscheinen CD und DVD des Auftritts.