Berlin. Das Stück „Zeroth Law – Das nullte Gesetz“ in der Tischlerei der Deutschen Oper widmet sich dem Thema der Künstlichen Intelligenz.
Die Deutsche Oper arbeitet auf ihrer Nebenbühne an der Richard-Wagner-Straße, der Tischlerei, mutig an einer Aufgabe: Das Stück „Zeroth Law – Das nullte Gesetz“ stellt eine drängende Frage: Woher rührt eigentlich unsere Angst, dass Maschinen die Kontrolle über unser Leben übernehmen? Wäre das wirklich so schlimm?
Ein Teil der Antwort, die Marion Wörle und Maciej Śledziecki von gamut inc geben, steht gleich zu Beginn im dunkel schimmernden Raum der Tischlerei: ein 50-teiliges Roboterorchester des Belgiers Godfried-Willem Raes – eigentlich traditionelle Schlag- und Blasinstrumente von der kleinen Trommel über Trompete, Fagott und Euphonium bis zu Kuhglocken und schließlich zu Orgelpfeifen. Sie alle werden maschinell angesteuert. Schlagzeug-Becken sind in Gruppen aufgetürmt, Kuhglocken aller möglichen Größen auf einer Art Schaltbrett eingefasst. Blasinstrumente werden im Verlauf des Abends zwar ihre klaren Klänge ertönen lassen, aber diese werden nicht klingen wie von Menschen erzeugt – der Anblasvorgang einer elektrischen Maschine ist einfach ein anderer als der von Lippe und Zunge, und das Musizieren des Menschen soll hier auch mitnichten kopiert werden.
Musikinstrumente heute sind – in Form von Computerprogrammen – eigentlich meist unsichtbar. Dass dies in dem Stück „Zeroth Law“ nicht der Fall ist, ist bereits Teil dieses Musiktheater-Ansatzes: Es geht darum, künstlerisch denjenigen Punkt greifbar zu machen, an welchem Maschinen in ihrem Handeln menschliche, über Jahrtausende gewachsene Praktiken übernehmen und auf eigene Art weiterführen.
Der Mensch konnte nie die Rolle eines herrschenden Gottes übernehmen
Der Rias-Kammerchor singt in einem höllisch schwierig atonalen, aber schlagkräftigen und effektvollen Chorsatz Texte des Librettisten Frank Witzel, die vor allem darauf hindeuten, wie wir Menschen uns die Welt der Dinge dermaßen zurechtgebogen haben, dass wir die Dinge schon lange nicht mehr als solche sehen. Etwa den Himmel: „Der schwarze Himmel riecht so international“, beginnt der Chorgesang. Diese unsere Gleichgültigkeit den Dingen gegenüber ist für Witzel ein Argument dafür, dass der Mensch es entgegen der eigenen Annahme eben doch nie geschafft hat, analog zu seinem einstigen Gott ein Herrscher über die Welt zu werden: Dieser liebe Gott habe sich einst für uns viel stärker interessiert als wir nunmehr für die Dinge: Wenn wir unsererseits etwas von deren Eigenleben zu ahnen beginnen wie zur Zeit im Angesicht Künstlicher Intelligenz, dann werden uns diese Dinge sofort unheimlich.
Mittels der dialogisch sprechenden Schauspielerin Ursina Lardi, in En-face-Ansicht als Video doppelt an die Rückwand der Tischlerei projiziert, drehen die Texte von Frank Witzel philosophisch die ganz großen Räder: Vielleicht sind es am Ende die von uns so verachteten Dinge, zu Maschinen zusammengefasst, die uns retten werden. Die Vision steht am Ende eines Abends, der mutig und in kühler sinnlicher Schönheit – nicht zuletzt durch zwei Tanzende in der Choreographie von Ruben Reniers – komplexe Gedanken verständlich macht.