Berlin. Die Galerie „LAGE EGAL“ zeigt am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer noch an diesem Wochenende zwei sehenswerte Ausstellungen.
Der vom Künstler-Kurator Pierre Granoux gegründete Projektraum „Lage Egal“ spielt in seinem Namen nicht nur mit dem sprachlichen Phänomen des Palindroms, wie man es im Deutschen auch an Wörtern wie „Rentner“ oder „Reliefpfeiler“ ablesen kann. Wie bei so vielem, was der 1963 im südfranzösischen Gap geborene und seit 2000 in Berlin lebende Granoux in die Hand nimmt, gibt es auch hier mehrere Bedeutungsebenen. „Lage Egal“ ist – als Statement – natürlich auch auf einen überhitzten Immobilienmarkt gemünzt, für den der Standort das zentrale Wertsteigerungsargument ist. „Lage Egal“ – als Einrichtung – ist ein nomadisierender Projektraum, der zwischen Atelier, Ausstellungshaus und Kreativlabor oszilliert. Nachdem man Granoux zuletzt an der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg antreffen konnte, hat er nun am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer 44a im zweiten Hinterhof Quartier bezogen – vorläufig, zur in Berlin immer seltener möglichen Zwischennutzung.
Lesen Sie auch: Neuigkeiten und Hintergründe aus dem Berliner Kulturbetrieb
Der Weg dorthin lohnt, zumal an diesem Wochenende. Nicht nur der rauen Räume wegen, die als letzte Relikte eines in Kreuzberg eigentlich längst weggentrifizierten Wendezeit-Berlins nostalgische Gefühle wachrufen. Sondern auch aufgrund der beiden Ausstellungen, die in diesen Tagen auf die Zielgerade einbiegen. Unter dem Titel „One+One=Three“ hat Granoux zusammen mit Christian Gfeller Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern versammelt, die zu zweit arbeiten. Vor ihren Arbeiten lässt sich unterhaltsam darüber spekulieren, wie der kreative Prozess im Tandem abgelaufen sein könnte. Janine Eggert und Philipp Ricklefs zum Beispiel haben sich intensiv mit dem Prozess des Aluminiumschmelzens befasst. Nach dem Vorbild von Maschinenteilen und abstrakten Formen haben sie Skulpturen entwickelt, die mithilfe von Styroporformen in dafür ausgehobenen Löchern am Strand gegossen wurden. Die metallisch schillernden Resultate sind von der körnigen Struktur des Sandes geprägt: fragile, auf der Grenzlinie zwischen organisch gewachsener und menschengemachter Realität tänzelnde Objekte – die durch ihren Titel „Event Horizon“ Ausflüge in die seltsam fremde Welt von Schwarzen Löchern und Singularitäten erlauben.

Die Arbeiten von Christian Gfeller und Anna Hellsgård, von denen hier ein so farbenprächtiges wie großformatiges Quadriptychon an der Wand hängt, überführen den eigentlich auf Reproduzierbarkeit konzipierten Siebdruck ins Reich des Unikats: Im chaotisch scheinenden, bei näherer Betrachtung aber einleuchtend arrangierten Nebeneinander sind hier die Strukturen von Holzoberflächen zu sehen. Die an Andy Warhols serielle Kunst erinnernden Druckpunkte grüßen aus der Kunstgeschichte und die abstrakten Werke eines Anselm Reyle aus der Gegenwart. Eine Herausforderung ans Auge ist diese Kunst, aber eine gute.
Was man auch von den Arbeiten sagen kann, die Darius Schulpig und Luca Loli vom Emik Projects als Kuratoren in den oberen Räumen versammelt haben. Die faszinierend schillernden Bilder eines Moritz Neuhoff werfen die Frage auf, was man mit einer Leinwand in der Sturzflut der digitalen Bilder noch anfangen kann (Antwort in Kurzform: sehr viel). Jonas Liesaus Arbeiten demonstrieren, dass die Geschichte des Abstrakten Expressionismus sehr vital weitergeht. Die Formensprache von Daniel M. Schaal, die Textilskulpturen von Linda Herrmann: echte Entdeckungen.