Berlin. Theaterregisseurin Pinar Karabulut bereitet ihr großes Operndebüt mit Puccinis „Il Trittico“ an der Deutschen Oper vor. Ein Treffen.

Es wird das große Operndebüt von Pinar Karabulut sein, wenn die Premiere von Puccinis Operntrilogie „Il Trittico“ in der Deutschen Oper am 30. September über die Bühne geht. Dabei ist die junge Regisseurin keine Unbekannte am Haus. Für eine knallbunte Überraschung sorgte ihre comichafte Inszenierung von Mark-Anthony Turnages Musiktheater-Stück „Greek“ auf dem Parkdeck. Das liegt jetzt zwei Jahre zurück. Wird es jetzt wieder bunt?, lautet die erste Frage. „Ja! Es wird wieder bunt, weil es ganz schön düster in der Musik und der Handlung zugeht“, sagt sie. „Deswegen dachte ich, es sollte auf der Bühne bunter sein.“

Der populärste Puccini-Ohrwurm aus dem 1918 in der New Yorker Met uraufgeführten Triptychons ist „O mio babbino caro“ (O mein lieber Papa). Diese Arie aus „Gianni Schicchi“ hat jede große Sopranistin gesungen, wohl jeder von uns hat sie irgendwann schon einmal gehört. Aber der Abend besteht aus drei höchst unterschiedlichen Einaktern. „Wir befinden uns in einer zeitlosen Welt zwischen Himmel und Hölle“, sagt die Regisseurin. „Wir haben uns an Dantes ,Göttlicher Komödie’ orientiert. Puccini hatte sich ja auf Dantes Inferno bezogen. An dem dreiteiligen Abend steht ,Il Tabarro’ (Der Mantel) für die Hölle, ,Suor Angelica’ für das Fegefeuer und ,Gianni Schicchi’ für den Himmel. Für mich geht es bei ,Il Trittico’ viel um das Leben und die Reise eines Menschen von der Geburt bis zum Tod.“

Auf dem Parkdeck der Deutschen Oper inszenierte Pinar Karabulut 2021 Mark-Anthony Turnages Musiktheater „Greek“ als buntes Comic-Stück.
Auf dem Parkdeck der Deutschen Oper inszenierte Pinar Karabulut 2021 Mark-Anthony Turnages Musiktheater „Greek“ als buntes Comic-Stück. © EIKE WALKENHORST

Als Kölsche Frohnatur müsste man Pinar Karabulut eigentlich charakterisieren. 2013 kam sie als Regieassistentin ans Schauspiel Köln. Als Regisseurin gehörte sie ab 2016 zum Leitungsteam des Britney, der Außenspielstätte am Offenbachplatz. Sie hat eine fröhliche Art sich durchzusetzen. Geboren wurde sie 1987 in Mönchengladbach, ihre Eltern waren aus der Türkei gekommen. Sie ist die erste Theaterfrau in ihrer Familie. Zunächst studierte sie Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Neue deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Während ihres Studiums assistierte sie an den Münchner Kammerspielen und am Theater Neumarkt in Zürich.

Die Regisseurin will sich wieder ihre eigene bunte Gegenwelt erschaffen

Der Tod sei ein starkes Motiv in allen drei Teilen, erklärt die Operndebütantin. „Im ersten Teil versuchen die Figuren das Glück zu finden, im zweiten Teil wird der Tod schon als das schönere Leben verklärt und im dritten wird versucht, Erlösung zu finden. ,Gianni Schicchi’ ist wie eine große Katharsis an dem Abend. Deswegen haben wir uns auf der Bühne für eine zusammenhängende Welt entschieden. Die Pause wird erst nach ,Suor Angelica’ sein.“

Offenbar will sich die junge Regisseurin wieder ihre eigene bunte Gegenwelt erschaffen. „Wir haben alle Elemente in eine Welt gepackt. Es ist eine Welt mit einem heiligen Berg, das Inferno entwickelt sich in einer Unterwelt“, sagt sie. „Es gibt ein Kloster und ein Pier. Es gibt ein Wasserbecken für ,Il Tabarro’.“ Und alle Figuren würden sich an dem Abend immer wieder begegnen. „Die Nonnen aus ,Suor Angelica“ werden sowohl in ,Il Tabarro’ als auch in ,Gianni Schicchi’ erscheinen. Buoso Donati aus ,Gianni Schicchi’ wird bereits in ,Il Tabarro’ auftauchen. Die Verknüpfungen finde ich wichtig, weil Puccini so lange an seiner Idee gearbeitet hatte, eine Trilogie als Abbild der Welt zu schaffen.“

An den Münchner Kammerspielen zeigte die Regisseurin „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“. Das Stück über Strukturen sexualisierter Gewalt wurde 2022 beim Berliner Theatertreffen gezeigt.
An den Münchner Kammerspielen zeigte die Regisseurin „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“. Das Stück über Strukturen sexualisierter Gewalt wurde 2022 beim Berliner Theatertreffen gezeigt. © Krafft Angerer

Ob Sie einen Lieblingseinakter habe?, lautet eine Frage. „So sehr ich ,Gianni Schicchi’ für die Leichtigkeit und den Spaß liebe, der Einakter ist ja an die Commedia dell’arte angelehnt, aber ich mag ,Suor Angelica’ noch mehr“, sagt sie. „Weniger wegen des Klosters und der Kirchenmusik. Mir geht es weniger um Religion, sondern mehr darum, dass Frauen zusammenkommen und in der Gemeinschaft ein neues System aufbauen wollen. Ich mag den Herzschmerz, die Oper macht die Schönheit in der Tragödie sichtbar.“

Im Schauspiel kann man mehr ausprobieren als in der fest gefügten Oper

Mit der Parkdeck-Produktion möchte sie die Puccini-Proben nicht vergleichen. „Die Situation ist jetzt völlig anders, weil die Dimensionen viel größer sind. Das Orchester ist viel größer. Ich arbeite mit dem Chor zusammen, ein Teil steht auf der Bühne, ein anderer Teil hinter der Bühne. Für die drei Einakter gibt es drei verschiedene Sänger:innenbesetzungen, auch wenn es Überschneidungen gibt.“ Die Zeit mit „Greek“ sei eine wunderbare Erfahrung gewesen.

In der Zwischenzeit ist bei ihr auch einiges passiert. „Ich war im Leitungsteam der Münchner Kammerspiele“, sagt sie. In München hat die reisende Regisseurin inzwischen ihre Homebase. „Außerdem war ich in der Zwischenzeit zum Theatertreffen eingeladen.“ Das Stück „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“ an den Kammerspielen, sagt sie, sei eine sehr wichtige Arbeit für sie gewesen. „Ich halte mich für einen musikalischen Menschen und versuche Sprache sehr melodisch zu denken. Der Vorteil im Schauspiel ist, dass man mehr ausprobieren kann als in der musikalisch fest gefügten Oper.“

Nach der Berliner Opernpremiere inszeniert Pinar Karabulut am Schauspiel Köln Kafkas „Der Prozess“. „Danach komme ich zurück und mache am Deutschen Theater Elfriede Jelineks ,Ulrike Maria Stuart’. Anschließend geht es nach Nancy, wo ich an der Oper Bellinis ,I Capuleti e i Montecchi’ inszeniere.“ Das sei dann ihre zweite Oper in dieser Spielzeit.

Deutsche Oper, Bismarckstr. 35, Charlottenburg. Tel. 34384343 Termine: 30.9. (Premiere), 2., 6., 8., 13. und 17.10.