Show

Fabelhafter Mix aus Artistik, Tanz, Musik, Licht und Theater

| Lesedauer: 3 Minuten
Ulrike Borowczyk
Die australische Kompanie Gravity & Other Myths zeigt die Show „The Mirror“.

Die australische Kompanie Gravity & Other Myths zeigt die Show „The Mirror“.

Foto: Andy Phillipson

Die australische Kompanie Gravity & Other Myths hat ihre Show„The Mirror“ überarbeitet und im Chamäleon Theater aufgeführt.

Berlin.  Die Bilder folgen im Sekundentakt aufeinander. In einem Moment fliegt eine Akrobatin scheinbar aus dem Nichts auf die Bühne, im nächsten sieht man ein eingefrorenes Tableau aus Menschentürmen mit zwei, drei Performern. Es hat etwas von einem wunderbar altmodischen Verschwinde-Trick, wenn die schweren, schwarzen Vorhänge auf der Bühne hin- und hergeschoben werden und sich die Szenerie dahinter jedes Mal verändert. Es sind flüchtige Impressionen, wie man sie heutzutage aus den Sozialen Medien kennt. Wie die recht komplizierte Skulptur, kreiert von mehreren Artisten, die sich nur Sekunden später scheinbar in Nichts auflöst. Eine gewaltige Kraftanstrengung, unternommen zu einem einzigen Zweck: Die kurze Aufmerksamkeitsspanne der User auf sich zu lenken. Denn die Bilder, die evoziert werden, sind definitiv instagramable.

Vor genau einem Jahr feierte die Uraufführung von „The Mirror“ im Chamäleon ihre Uraufführung. Ein eigens für das Haus maßgeschneidertes Stück. Weil die preisgekrönte, australische Kompanie Gravity & Other Myths die Show in der Regie von Darcy Grant weiterentwickelt und stark verändert hat, gab es jetzt keine einfache Wiederaufnahme, sondern eine zweite Premiere der Produktion. Die war im Übrigen mit ihren ausverkauften Vorstellungen ein veritabler Kassenschlager. Was einmal mehr das sichere Gespür des Hauses für spannende Stoffe des Neuen Circus bewies. Dafür gab es gerade den „Theaterpreis des Bundes“. Laut Jury ist das Chamäleon die „Speerspitze einer dynamischen Entwicklung der Darstellenden Künste, die bestehende Grenzen zwischen Genres überwindet.“

Dass der Blick in den Spiegel diesmal ein ganz anderer ist, dafür steht der zehnköpfige Cast mit vielen Neubesetzungen. Allen voran Sängerin Megan Drury, die mit ihrem hypnotischen, samtenen Alt begeistert. Sie löst den Komponisten und Performer Ekrem Eli Phoenix ab, der seinen Elektropop-Soundtrack in der Auflage mit stimmlichem Schmelz veredelte.

Jeder rückt ins beste Licht und zeigt die tollsten Tricks

Die Kompanie trotzt nicht nur einmal mehr auf beeindruckende Weise der Schwerkraft mit atemberaubenden Flic Flacs, Salti, Rädern, Schrauben, Überschlägen und unterschiedlichsten Gruppenakrobatiken. Es wird auch wieder mit handgemachtem Licht gearbeitet. Und geht es auch diesmal um Emotionen, um Verletzlichkeit und Vertrauen, Eitelkeit, Selbstliebe und gegenseitige Wertschätzung. Was äußerst witzig daherkommt, wenn sich alle Künstler regelrecht vor einem großen Handydisplay knäueln, um ja mit im Bild zu sein.

Ganz ostentativ schreibt Megan Drury „Meat. Fleisch“ auf einen LED-Screen. Handelt es sich beim ständigen Posieren doch um eine Art Fleischbeschau. Vor allem, wenn man wie die Sängerin einen Rundgang mit Entourage durch den ganzen Saal macht, sich dabei live filmt und für fünf Minuten unangefochten im Mittelpunkt steht. Allerdings rückt sich an diesem Abend erst mal jeder ins beste Licht und zeigt die tollsten Tricks. Zuweilen werden auch die anderen wie Puppen in die richtige Positionen gebracht.

Eigen- und die Fremdwahrnehmung stimmen dabei allerdings nicht immer überein. Und manch einer sucht lieber nach Anschluss statt zu Posen. Dass man die Bühne gemeinsam am besten bespielt, ist letztlich die Erkenntnis im zweiten Teil. Wieder einmal ein fabelhafter Mix aus Artistik, Tanz, Musik, Licht und Theater. Und eine Weltklasse-Kompanie in absoluter Hochform.

Chamäleon Theater, Rosenthaler Str. 40/41, Mitte. Tel. 400 0590. Bis 7.1., Di.-Fr. 20 Uhr, Sa./So. 18 Uhr