Ein grimmiger Actionfilm, der auch die Schmach aufarbeitet, dass die Amerikaner das Land den Taliban überlassen haben: „Kandahar“:
Was waren das für schreckliche Bilder, als die Amerikaner Afghanistan im Stich ließen und alle westlichen Verbündeten folgten. Wie die letzten Maschinen abhoben und Menschen sich dran klammerten, aus Angst vor den Taliban, die das Land im Nu überrannten. Eine Kapitulation – und ein Verrat an den Afghanen, die an sie geglaubt und für sie gearbeitet haben.
Man fühlte sich an Vietnam erinnert. Eine Schmach, die die Nation auf Jahre verfolgte und in zahllosen Vietnam-Kriegsfilmen verarbeitet wurde. Auch in Überwindungsfantasien nach dem Motto, man hätte nur einen Rambo machen lassen sollen, dann wäre der Krieg nicht verloren. Wird es künftig nun auch ein Subgenre über das Afghanistan-Desaster geben? Eine erste und frühe Aufarbeitung jedenfalls ist „Kandahar“ mit Gerarfd Butler.
Gerarfd Butler: ein einsamer Actioner - und immer auf politischer Mission
Der hat sich in den letzten Jahren ja neuerfunden als Actioner ohne handelsübliche Gags. Ein Mann, der keine Scherze macht, der überhaupt wenig sagt. Aber auch einer, der sich nicht auf lang einstudierte Kampfchoreografien einlässt. Ein Mann und seine Schusswaffen, das ist das ganze Programm. Wobei der mittlerweile 54-Jährige dabei auf politischem Terrain agiert.
In der Trilogie „Olympus Has Fallen“, „London Has Fallen“ und „Angel Has Fallen“ hat er gleich drei Mal den Präsidenten aus auswegloser Lage gerettet. In „Greenland“ ging es dann ums eigene Überleben, bevor ein Komet einschlägt. Und in „Kandahar“ gibt Butler nun den Undercover-Agenten Tom Harris im Mittleren Osten, der im Iran eine Atomanlage sabotiert und dann – vor seiner Rückreise, er muss zur Schulabschlussfeier seiner Tochter zurück sein – noch einen allerletzten Auftrag in Afghanistan annimmt.
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Freunde des Genres ahnen da bereits, dass das nicht gutgehen wird. Durch einen Daten-Leak in Snowden-Manier fliegt seine Tarnung auf, Harris sieht sein Konterfei überall in den Medien. Und jetzt sind ihm alle auf den Fersen: Die Iraner, die auf Rache aus sind. Ein pakistanischer Killer. Eine tadschikische Miliz. Und afghanische Warlords, Taliban und IS-Kämpfer, die ihn auf dem „freien Markt“ meistbietend verhökern wollen.
Ein schwieriger Film: Die Politik bremst die Action aus - und andersrum
Ein Mann gegen alle also. Wobei Harris nicht nur seine eigene Haut retten will, sondern auch seinen Übersetzer Mo (Navid Negahban). Nicht ohne meinen Verbündeten: Eine Erlösungsfantasie nach der Schmach der Flucht.
Regie führte, wie schon bei „Angel Has Fallen“ und „Greenland“, Butlers Leibregisseur Ric Roman Waugh. Und der versucht hier durchaus ein differenziertes Bild jenseits der gängigen Islamisten-Klischees zu zeichnen. Aber genau das bremst „Kandahar“ als Actionfilm aus. Für einen Politthriller aber ist er wieder zu eindimensional. Ein Dilemma. Schade bei diesem interessanten Ansatz.
Actionfilm, USA 2023, 119 min., von Ric Roman Waugh, mit Gerard Butler, Navid Negahban, Travis Fimmel, Farhad Bagheri