Berlin. Mit neuen Ausstellungen laden die Direktoren Till Fellrath und Sam Bardaouil am Wochenende zum großen Festival.

Bei zeitgenössischer Kunst verstehen viele oft nur Bahnhof. Da passt es, dass die Nationalgalerie seit 1996 diesen Teil ihrer Sammlung in einem ehemaligen Bahnhof präsentiert. „Ist das Kunst oder kann das weg?“, fragten 1986 viele schadenfroh, nachdem Reinigungspersonal an der Düsseldorfer Kunstakademie eine Fettecke von Joseph Beuys entfernt hatte. Die gibt es im Hamburger Bahnhof nicht, dafür Blöcke aus Talg, einem Material, mit dem früher Wunden behandelt wurden.

Heilung, das war das große Thema von Beuys, in diesem Fall Heilung des zerstörten städtischen Gefüges. Damit kann man in Berlin viel anfangen. Entnommen sind diese Informationen dem neuen Wegweiser für die „Unendliche Ausstellung“, die 19 Kunstwerke vereinigt, die im Innen- und Außenbereich des Museums fest installiert sind, die im Laufe der Zeit dazukamen, manchmal auch vergessen wurden und deshalb teils von Unkraut überwuchert sind. Heilung ist auch ein Thema von Till Fellrath und Sam Bardaouil, den beiden Direktoren des Hamburger Bahnhofs. Sie wollen die Beziehung zu ihrem Publikum, zur Stadt und deren Vergangenheit, zu den Künstlerinnen, die hier leben, zu ihrem Bahnhof, heilen und neu beleben. Etwas, das angesichts von Globalisierung und Internationalisierung der Kunst manchmal untergeht.

Lesen Sie auch: Hamburger Bahnhof – Alle Neuigkeiten und Hintergründe

Franz Ackermann: „Condominium“ (1994-2002) in der neuen Präsentation.
Franz Ackermann: „Condominium“ (1994-2002) in der neuen Präsentation. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Das Haus ist diesmal also besonders weit offen für alle Berlinerinnen und Berliner, wenn drei Tage lang bei freiem Eintritt der dauerhafte Erhalt des Standortes durch den Ankauf der Rieckhallen gefeiert wird. Nicht nur mit Kunst, sondern auch mit Musik: Am 16. Juni startet die Open-Air-Reihe „Berlin Beats“, die die Lebendigkeit dieser Stadt widerspiegeln soll.

Auch interessant:Neuigkeiten und Hintergründe aus dem Berliner Kulturleben

Im Mittelpunkt stehen die drei neuen Sammlungspräsentationen. „Das Forum Hamburger Bahnhof“ gleich links vom Eingang empfängt mit rosa gestrichenen Wänden und Holzpodesten zum Hinsitzen. Hier geht es um die Geschichte des Ortes, um die Frage nach der Auswahl der Kunstwerke und um die Verortung des Museums in seiner Nachbarschaft, die einmal von der Mauer zerrissen war. Ein neu ausgeschnittenes Fenster gibt den Blick auf den verwilderten Garten frei. Bahngleise erinnern an die ursprüngliche Bestimmung des Ortes, rechts geht es über eine kleine Treppe in das Zimmer von Gregor Schneider, einer weiteren Station aus der „Unendlichen Ausstellung“.

Ein neues Fenster gibt den Blick auf den verwilderten Garten frei.
Ein neues Fenster gibt den Blick auf den verwilderten Garten frei. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Im Westtrakt schließlich ist die Neupräsentation der Sammlung des 21. Jahrhunderts zusammen mit Werken aus der Kunstsammlung des Bundes und des Instituts für Auslandsbeziehungen zu sehen: 59 Künstlerinnen, 18 Neuerwerbungen. Zu den Neuerwerbungen gehört auch Judith Hopfs „Dem Kirschbaumast ähnelnder Essigbaum“ als neueste Position der „Unendlichen Ausstellung“. Doch im Unterschied zu Judith Hopf, die in Frankfurt lehrt, leben oder lebten sehr viele der ausgestellten Künstlerinnen in Berlin. Denn auch hier ist der Ausgangspunkt das Naheliegende: Das Haus sieht sich als Begegnungsstätte für alle Kunstschaffenden, die in Berlin leben.

Eine Einladung, die mit einer riesigen Kirschblüte beginnt: Petrit Halilaj und Alvaro Urbano haben sie geschaffen anlässlich ihrer Hochzeit in Berlin. Die Blüte steht für das Aufblühen der Liebe. Vielleicht rümpfen da Bewohner einer elitären Kunstblase die Nase und hüpfen schnell zu Kippenbergers nachgebautem Mauerfragment im ersten Stock. Oder zu Daniel Richters „Jawohl und Gomorrah“, das für sie viel eher für diese Stadt stehen mag als Kirschblütensymbolik, um dann auf zwei große Tafeln mit den Polaroids von Eva&Adele zu treffen, zwei Berliner Kunstikonen, deren Allgegenwart und Liebe Programm ist.

Das Schöne an der Ausstellung aber ist nicht allein die Beschäftigung mit der Stadt. Besondere Freude machen die leicht zu findenden Ausstellungstexte, die wirklich den Auftrag ernst nehmen, einfach zu erklären und zu erhellen. Dazu kommt noch das Versprechen, dass viele Vermittlerinnen unterwegs sein werden, man erkennt sie an einem „Ask-me“- Button, die man spontan ansprechen kann. Keine Angst vor Kunst also. Till und Sam erklären alles.