Helmut Newton Stiftung

Alice Springs und der clevere Trick mit der Taschenlampe

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Ulrike Borowczyk
Besucherinnen und Besucher vor Alice Springs’ Aktfotografie der finnischen Schauspielerin Sirpa Lane, Paris 1972.

Besucherinnen und Besucher vor Alice Springs’ Aktfotografie der finnischen Schauspielerin Sirpa Lane, Paris 1972.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Das Museum für Fotografie wirft mit einer Retrospektive einen neuen Blick auf das Werk der großen Fotografin Alice Springs.

Berlin. Claude Chabrol schmunzelt verschmitzt in die Kamera, während Isabell Adjani trotz großer Robe fast verdutzt scheint, dass sie abgelichtet wird. Und Fotograf Robert Mapplethorpe kommt in seinem Jeanslook mit einer derart beiläufigen Lässigkeit rüber, dass sich das Wort „cool“ geradezu aufdrängt. Es scheint fast so, als hätte June Newton (1923-2021) alias Alice Springs in ihren Porträt-Fotografien stets ein Stück der Seele miteingefangen, was ihre Bilder unmittelbar macht und den Betrachter regelrecht in sie hineinzieht.

Mit „Alice Springs. Retrospektive“ gelingt der Helmut Newton Stiftung nach den ihr bereits gewidmeten Ausstellungen 2010 und 2016 ein neuer, frischer Blick auf das Schaffen von June Newton, die ab 1970 unter dem Pseudonym Alice Springs fotografierte. Direktor Matthias Harder hat dafür im hauseigenen Archiv recherchiert, das nach June Newtons Tod im April 2021 um den Bestand aus der Wohnung der Newtons in Monaco erweitert wurde. Daher sind unter den über 200 präsentierten Werken auch zahlreiche Vintage Prints nun erstmals zu sehen.

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Der Ausstellungsparcours ist chronologisch angeordnet. Wobei man beim Entrée gleich einen Blick auf June Newtons eindrucksvollen Karrierestart hinter der Kamera erhascht. Auf einer Wandtapete ist ihr Foto für „Gitanes Cigarettes“ aus dem Jahr 1971 zu sehen, dem ebenfalls das Prädikat „cool“ gebührt. Dass sie mit eigenen Fotoarbeiten begann, war einer Grippe ihres Mannes Helmut Newton geschuldet. Das Paar wohnte seinerzeit in Paris. Weil der Berliner Fotograf indisponiert war, ließ sie sich Kamera und Einstellungen von ihm erklären und legte statt seiner sofort los.

Es war der Auftakt zu einer erfolgreichen Karriere. Ihren Künstlernamen Alice Springs fand sie eigenen Angaben zufolge, indem sie mit geschlossenen Augen eine Stecknadel auf eine australische Landkarte fallen ließ. Mit 24 Jahren lernte sie dort 1947 in ihrer Geburtsstadt Melbourne den noch unbekannten jüdischen Fotografen Helmut Newton kennen, der vor den Nazis aus Deutschland geflohen war. Sie hieß noch June Browne und war Schauspielerin. Ein Jahr später heirateten die beiden.

Für fast 60 Jahre waren ihrer beider Leben bis zu Helmut Newtons Tod mit 83 Jahren in Los Angeles eng miteinander verwoben. Sie waren Liebende, beste Freunde und Kollegen. Mit einer höchst unterschiedlichen künstlerischen Handschrift. Helmut Newton war am Image der Porträtierten interessiert und inszenierte seine Fotos bis ins kleinste Detail. June Newton hingegen verstand es, dass sich die Menschen vor ihrer Kamera öffneten. Als Aufhelllicht für Gesichter brauchte sie kein technisches Brimborium, ihr genügte eine kleine Taschenlampe. Ihre Fotos sind spontaner, wirken natürlicher. Was man deutlich erkennt, wenn sie und ihr Mann dieselben Personen auf jeweils andere Weise fotografiert haben, wie eine Reihe spannender Gegenüberstellungen zeigt.

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Die Liste von Alice Springs’ Porträts ist ein Who Is Who der internationalen Kulturszene ihrer Zeit. Von Yves Saint Laurent über Karl Lagerfeld bis zu Charlotte Rampling. Dazu gesellen sich Fotos der berühmten Fotoserie „Melrose Avenue“ und aus der legendären Ausstellung „Us and Them“. Am schönsten aber sind die Schnappschüsse, mit denen sich June und Helmut Newton gegenseitig eingefangen haben. Private Einblicke von großer Strahlkraft.