Nicht selten ist ein Zwiegespräch, obwohl es die Zwei in sich trägt, ein Disput mit sich selbst. Als solch zwistig dialogisches Selbstgespräch ist „Zwiegespräch“, das jüngste Buch des 80-jährigen Peter Handke, vorstellbar, als Gespräch eines alten Mannes mit sich über sich, seine Großväter, deren Geschichten, Lügen und Lügengeschichten. Oder „Zwiegespräch“ ist ein Gespräch zweier alter Männer über je einen derer Großväter. Denn (anscheinend zwei) Großväter sind die erzählenden und erzählten Figuren, die Handke über Erinnerungen, Täuschung, Zweifel, Weltvorstellungen und Theater sprechen lässt.
Wichtig ist das, weil Sprache bei Handke immer mehr ist als das Gesprochene und Besprochene, und weil in der sogenannten Uraufführung seines „Zwiegespräch“ am Wiener Akademietheater, die jetzt zum Theatertreffen eingeladen wurde, vier alte Männer und eine alte Frau, zwei junge Frauen, fünf Betreuer/innen, drei Angehörige und ein Kind auf der Bühne stehen. Sprechen werden nur drei alte Männer, die Burgtheatergranden Hans Dieter Knebel (75), Branko Samarovski (83) und Martin Schwab (85), und die beiden Frauen im Enkelalter Elisa Plüss und Maresi Riegner; umso überraschender die Figurenzahl. Opulenz ist das Motiv: viel Ausstattung, Bewegung und Stilistik, viel Musik (wenn auch wenige Akkorde).
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Die Inszenierung setzt „Zwiegespräch“ in ein Altenheim. Die jungen Frauen und Statisten bilden das Pflegepersonal, das offenbar ein Ziel hat: die Reduzierung der Alten. Zu diesem Behufe lässt man sie „Reise nach Jerusalem“ spielen. Wer keinen Stuhl erwischt hat, wird seiner Wertsachen entledigt und durch eine Tür in einen uneinsehbaren Raum geworfen, an dessen anderem Ende eine Urne herauskommt. Im Programmheft-Interview will die 33-jährige Regisseurin Rieke Süßkow dies als Kritik am rücksichtlosen Umgang der Gesellschaft mit den Alten verstanden wissen. Erkennbar ist nur der rücksichtslose Umgang der Inszenierung mit dem Text.
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Dabei ist der Text kein Theaterstück. Er ist auch keine Erzählung, überhaupt keine Prosa im üblichen Sinne, sondern lyrisch-klaubende Handke-Prosa im gesprochenen und sprechenden Wort – vielleicht am ehesten das, womit er betitelt ist: ein Dialog, der seine(n) Sprecher nicht eindeutig zu erkennen gibt und auch nicht, wo und unter welchen Umständen gesprochen wird. Es spricht schlicht, weil das Sprechende Gedanken trägt, keine Handlung, und Theater in Sprache, Spiel, Vor- und Verstellung, nicht in Verbildlichung erkennt. „Sogenannt“ ist diese Uraufführung, weil sie dem Text nicht zur Aufführung verhilft, sondern ihn in ihrer illustren Illustration instrumentalisiert, ihren Zwecken einpresst, aushöhlt.
Wo Zweifel an vielem, von dem das lyrische Ich überzeugt war, angemeldet werden, wo Einsicht in ein Fehlen, ein falsches Gedachthaben das Sprechen vorantreibt, bleibt durch die sich an Zuschreibungskausalitäten entlanghangelnde Textaufteilung Besserwisserei. Aus der Selbstreflexion der alten wird ein trivialer Vorwurf der jungen Generation an sie (der eigentliche Zeitraum dafür wäre die Pubertät). Das Bemerkenswerte an dieser Aufführung ist der Hochmut, einen Text zu inszenieren, der einem nichts sagt. Dann sollte man zu einem anderen greifen.