Getrieben vom Wind, ist die Urgewalt des Wassers beim Brechen der Wellen in der Brandung auf den berühmten Wellenbildern von Karl Hagemeister (1848-1933) für den Betrachter fast physisch spürbar. Beinahe so, als würde die aufgewühlte Gischt aus den Gemälden hinausschäumen. Der Grund dafür ist so simpel wie genial: „Er malt die Wellen nicht, er macht sie. Er bildet die Schöpfung nicht nach, er ist die Schöpfung“, weiß Kurator Fabian Reifferscheidt. Das gelingt dem Maler aus dem brandenburgischen Werder durch zentimeterdicken Farbe, mit der er die Dynamik der Bewegung beinahe plastisch nachbildet und das Licht einfängt. Mit einem beeindruckend lebendigen Resultat.
Karl Hagemeister: Werke aus der Sammlung des Bröhan-Museums
Die Wellenbilder sind der Ausgangspunkt der Ausstellung „Das Ende der Malerei. Karl Hagemeister und die Malerei heute“ im Bröhan-Museum, in der rund 60 Arbeiten präsentiert werden. Zum 50. Jubiläum des Hauses versuche man, die eigene Sammlung thematisieren, erklärt Direktor und Kurator Tobias Hoffmann. Ein Schwerpunkt liegt auf Karl Hagemeister, von dem das Museum zahlreiche Werke besitzt. Zudem sei er einer der bekanntesten und beliebtesten Künstler, zu dem es bereits mehrere Ausstellungen gegeben hat.
Vor 100 Jahren, 1923, richtete Ludwig Justi, der Direktor der Berliner Nationalgalerie, Karl Hagemeister eine große Einzelausstellung zum 75. Geburtstag aus. Anlässlich der Schau sprach Hagemeister vom „Ende der Malerei“, denn er glaubte, dieses mit seinen Wellenbildern erreicht zu haben. Die Ausstellung beweist hingegen, dass er eine stete Inspirationsquelle für die heutige Malerei ist, indem seinen Werken die Arbeiten zeitgenössischer Künstler gegenüber gestellt werden.
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Hagemeister war einer der Mitbegründer der Berliner Secession 1898, lebte aber im Havelland. So konnte er unbehelligt von Trends seinen eigenen Stil entwickeln. Öffentliche Anerkennung erhielt er erst spät ab 1909. Da er an einem Augenleiden litt, endete seine Schaffensphase fast zeitgleich mit dem einsetzenden Erfolg.
Die Kuratoren Hoffmann und Reifferscheidt lassen nun Hagemeisters Arbeiten in einen spannenden Dialog mit 18 Künstlern treten. Zwischen Impressionismus und Expressionismus stehend, war der Brandenburger für seine Experimentierfreude bekannt. Bei ihm lösen sich etwa Birkenrinde und Blattgrün in einem abstrakten Farbspiel auf. Seine Malerei weist voraus auf die informelle Kunst der 1950er-Jahre. Aber auch auf Jackson Pollocks Action Painting und die radikale Malerei der 1980er-Jahre.
Der Faktor Licht war entscheidend für Karl Hagemeister
Wie Hagemeister in Richtung Abstraktion geht, zeichnet der künstlerische Dialog nach, bei dem sich die nachfolgenden Generationen sichtbar vom Altmeister inspirieren ließen. So zeigt die Österreicherin Inge Dick mit ihrer Werkserie „Polaroids weiß“, wie entscheidend der Faktor Licht für unsere Wahrnehmung ist. Und neben drei Detailzeichnungen von Hagemeister hängen die akribischen Bleistiftzeichnungen von Danja Akulin, die wie meditative Fotos in Sepia-Optik wirken. Eine Ausstellung, die nicht nur das Œuvre von Karl Hagemeister würdigt, sondern auch die immense Bandbreite der zeitgenössischen Kunst.
Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Charlottenburg, Tel. 32 69 06 00, bis 30.7., Di.-So. 10-18 Uhr