Ein sanftes, sehnsüchtiges Flüstern der Klaviertasten, dann setzt die klare Mehroktavenstimme von Birdy mit „Young Heart“ ein. Schraubt sich in schwindelerregende Höhen, so dass sie locker Glas zersingen könnte. Ein Glück, dass die Getränke bei Konzerten grundsätzlich in Plastikbechern ausgeschenkt werden. Andernfalls hätte es wohl ein Desaster gegeben. Obwohl die Zuschauer nicht nur bei diesem Song so selig aussehen, dass sie davon kaum etwas mitbekommen hätten. Sie stehen nämlich rund 100 Minuten ganz unter dem Bann der Birdy-Magie.
Nachdem die Sängerin ihre Konzerte in Köln und Hamburg verschieben musste, fürchteten Fans schon, dass Birdy ihre Deutschlandtour zum zweiten Mal absagen würde. Hatte die Engländerin ihre Termine doch bereits vom Mai letzten Jahrs auf diesen März verlegt. Aber mitnichten. Das Publikum durfte endlich im fast ausverkauften Tempodrom in der entspannten Melancholie von Birdys Liebesliedern schwelgen.
Birdy: Der Name kommt von ihren Essgewohnheiten als Kind
Die 26-jährige Singer-Songwriterin, Tochter eines Schriftstellers und einer Konzertpianistin, begann schon im zarten Alter von acht Jahren Songs zu schreiben. Sie gewann mit zwölf einen Talentwettbewerb, der ihr eine Plattenaufnahme bescherte. Zwei Jahre später erschien ihr Debütalbum „Birdy“. Betitelt mit ihrem Spitznamen, den sie bekam, weil sie als Baby beim Essen ihren Mund so weit aufriss wie ein Vogelküken. Mit dem neun Mal platinveredeltem Longplayer kam der internationale Durchbruch.
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Eigentlich heißt die Musikerin Jasmine Lucilla Elizabeth Jennifer van den Bogaerde. Und davon, dass sie mal ein Nimmersatt war, ist heute rein gar nichts mehr zu merken. Die superschlanke Musikerin wirkt im weißen Shirt und ebensolchen Pants eher elfenhaft. Erinnert damit wie auch gesanglich an Kate Bush. Und tatsächlich folgt dem Song „Silhouette“ nahtlos der Bush-Klassiker „Running Up That Hill“. Einer der eindrücklichsten Momente des Konzerts. Das eröffnet Birdy mit ihrer neuen Single „Raincatchers“ aus ihrem im Juli erscheinenden, fünften Album „Portraits“.
Wie ursprünglich 2022 geplant, stellt sie aber auch viele Songs ihres 2021er-Albums „Young Heart“ vor. Begleitet von einer vierköpfigen Band, wechselt Birdy mühelos zwischen Gitarre und E-Piano. Wobei sie letzterem eindeutig den Vorzug gibt. Unüberhörbar ist dabei der Einfluss der klassischen Musik und ihrer Vorbilder, etwa von Carole King, auf ihr Songs. Leicht retro wirken die wabernden Synthesizer-Landschaften. Fast wie in den Achtzigern. Da wünscht man sich manches Mal einen Gitarren-lastigeren Sound.
Birdy: Schwebende Melodien lassen keine Wünsche offen
Für den Klang maßgeblich ist aber natürlich Birdys außergewöhnliche Stimme, die ätherisch, fragil und kraftvoll zugleich daherkommt. Wie gemacht für federleichte, schwebende Melodien zu schwermütigen Versen. Denn davon bieten Songs wie „Not About Angels“ und „Quiet Yours“ reichlich. Geprägt ist der Abend von Balladen und melodramatischen Hymnen. Mit „Keeping Your Head Up“ zieht Birdy das Tempo zum Ende hin noch mal ordentlich tanzbar an. Und als Zugaben performet sie die Hits „Your Arms“ und „Wings“. Ein Konzert, bei dem keine Wünsche mehr offenbleiben. Und dessen Zauber noch lange nachwirkt.