Es hat was von einem Klassentreffen, wenn elf ehemalige Ostblockstaaten in Berlin zusammenkommen und auf Objekte einer gemeinsamen Vergangenheit schauen, die einmal progressiv und futuristisch war. Welche Hoffnungen damals damit verknüpft waren: Technologischer Fortschritt versprach Wohlstand und Glück für alle. Wenn man Satelliten und Menschen ins Weltall schicken konnte, schien alles möglich. Berlin holte sich mit dem Fernsehturm den Sputnik vom Himmel und setzte ihn als Landmarke mitten in die Stadt. Und in Litauen baute man den ikonisch-kugeligen Staubsauger Saturnas, der Hausarbeit ohne Mühe versprach. Und weil er so schön war, verbaute man seine Hälften in Wandpaneele für ein Restaurant, das nicht mehr existiert. Die Ausstellung kann nur noch Fotos von dem kühnen Entwurf des litauischen Bildhauers Teodoras Kazimieras Valaitis zeigen.
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Eine Vision von heute ist die Zusammenarbeit über Grenzen. Deshalb hat Claudia Banz vom Kunstgewerbemuseum ihre Kuratoren-Kolleginnen aus Tallinn, Vilnius, Warschau, Budapest, Prag, Brno, Bratislava, Ljubljana, Zagreb, Kiew und Berlin eingeladen, gemeinsam Objekte aus der Zeit zwischen Sputnik und Ölkrise auszuwählen. Elf Designkapseln zeigen jeweils ein Beispiel aus dem öffentlichen und eines aus dem privaten Raum. Das Klassentreffen ist eine Länderschau. Für das Kunstgewerbemuseum, ehemals direkt an der Grenze, ist der Blick nach Osten längst überfällig.
Mindestens so spektakulär wie der Sputnik-Staubsauger ist beim litauischen Beitrag die Glasarbeit „Weltraumfantasie“ von Algimantas Stoškus von 1965. Für die Schau wurde das funkelnde Werk, das fast vierzig Jahre lang eingelagert war, restauriert. Grafische Elemente hängen von der Decke, bestückt mit dicken leuchtenden Glassteinen in verschiedenen Formen und Farben, mal Edelstein, mal Lavabrocken.
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Dagegen wirkt das Berliner Weltfestspiele-Design von 1973 in den Entwürfen der Kunsthochschule Weißensee fast blass. Und dennoch: Die Regenbogenfarben standen damals schon für Vielfalt und konterkarieren das ewige Grau, das oft mit der DDR verbunden wird. Erstaunlich auch, was sich der Architekt und Grafiker Lutz Brandt für den Plattenbaubalkon so ausgedacht hat: Wild-organische Do-it-yourself-Veranden mit Türmen und Gewächshäusern versprachen Energiegewinnung und Gemüseanbau auf kleinstem Raum.
Denn oft waren die Ressourcen knapp. Die futuristischen Möbel für die Regierungslounge im Flughafen von Bratislava – Stühle wie halbe weiße Tonnen mit orangen Sitzkissen und Tische, die mit den Böden verschmelzen – gaben teilweise nur vor, aus Kunststoff zu sein. In Wirklichkeit waren die geschwungenen Möbel aus Holz und mussten per Hand gefertigt werden.
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Aus Karlsbad kommen Möbel aus dem legendären früh-brutalistischen Hotel Thermal angereist, ein roter Ohrensessel mit Drehfuß, Pilzlampen und eine fragile Glasfontäne, die Teil einer künstlichen Landschaft waren und dem Mut des Architektenpaares Věra Machoninová und Vladimír Machonin geschuldet, die den Prager Frühling nutzten, um ihre Visionen wahr werden zu lassen.
Glück und Fortschritt im Privaten versprach eine Küche der slowenischen Architektin Branka Tancig, die sie 1953 für ein Musterhaus schuf. Sie bestand aus 18 Teilen, die beliebig eingesetzt werden konnten – die erste Einbauküche Jugoslawiens.
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Es ist eine retrotopische Schau im uneigentlichen Sinn, denn sie verklärt oder mahnt nicht, sie staunt nur. Wenn nicht der Ukraine-Krieg wäre. So wird Russland nicht durch eine Institution, sondern von einer freien Kuratorin vertreten – mit utopischen Heim-Informationsmaschinen, die nie in Produktion gingen. Und die Ukraine zeigt Bilder von Glasfenstern. Viele davon sind im Krieg zerbrochen und zerstört. Fast scheint auch unsere heutige Vision von der friedlichen Zusammenarbeit nur noch retrotopisch.
Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz, Tiergarten. Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sbd./So. 11-18 Uhr. Bis 16. Juli.