Marokko gehört zu den Ländern, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen. Dass ausgerechnet ein Film, der dieses Tabu behandelt, das Land bei den Oscars repräsentierte, erscheint da wie ein Paradox. „Das Blau des Kaftans“ ist alles andere als ein kämpferischer Film. Aber gerade darin liegt vielleicht seine eigentliche Subversionskraft.
Halim (Saleh Bakri) und seine Frau Mina (Lubna Azabal) leben eine Ehe in scheinbar altmodischer Harmonie: Er schneidert für eine weibliche Klientel traditionelle Gewänder, sie führt den Laden. „Alles in Handarbeit!“, versichert Mina einer Kundin, eine Nähmaschine würde ihr Mann nie benutzen. Die Frau schaut stutzig, ihr wäre es lieber, wenn sie ihren Kaftan schneller haben könnte.
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Um das volle Auftragsbuch abzuarbeiten, stellen Halim und Mina den jungen Youssef (Ayoub Missioui) ein. Aber als Mina mitbekommt, wie Halim in aller Diskretion einen begehrenden Blick auf Youssefs nackten Oberkörper wirft, setzt ein Prozess der Bewusstwerdung ein.
Die krebskranke Mina erfährt, dass sie sterben wird und der Verwirklichung ihrer Träume so noch engere Grenzen gesetzt sind als durch die Gesellschaft ohnehin. Weshalb sie Halim ermutigt, an seinen festzuhalten – und sei es im Verborgenen.
Die Magie von Maryam Touzanis Film liegt darin, wie er mit einem Minimum an Dialogen, aber einem Maximum an Atmosphäre und Sinnlichkeit darauf besteht, dass man Liebe nicht verbieten kann.
Drama F/Marokko 2022, 124 min., von Maryam Touzani, mit Lubna Azabal, Saleh Bakri, Ayoub Missioui