Berlin. Die Scorpions sind die erfolgreichste Hard-Rock-Band Deutschlands. Bis heute haben sie über 120 Millionen Tonträger verkauft, über 5000 Konzerte gespielt und mit ihrer Single „Wind Of Change“ einen zeitlosen Klassiker geschaffen, der rund um den Globus die Charts anführte. Jetzt sind die „Könige der Riffs“ wieder auf Deutschland-Tour und rocken am 23.5. die Mercedes-Benz Arena. Im Gespräch erzählen Sänger Klaus Meine (74) und Gitarrist Matthias Jabs (67), was sie zum aktuellen Album „Rock Believer“ motiviert hat und warum sie begeistert darüber sind, dass mittlerweile drei Generationen von Fans ihre Konzerte besuchen.
Ursprünglich wollten Sie schon 2022 in Deutschland touren, mussten aber die geplanten Konzerte auf dieses Jahr verschieben. Hat es Sie eigentlich geärgert, dass Deutschland im internationalen Vergleich erst unendlich langsam eine Planungssicherheit für Konzerte geschaffen hat?
Klaus Meine: Ja, das hat uns für einen Moment wirklich geärgert. Dann haben wir uns die Argumente unseres Tour-Promoters angehört und uns gesagt, wenn es keine Planungssicherheit gibt, wäre es ja auch dumm, es trotzdem zu machen. Aber so richtig gut fanden wir es nicht. Jetzt freuen wir uns dafür umso mehr, dass die Termine im Mai und Juni endlich stattfinden.
Haben Sie wegen der Verschiebung ein Feedback von Ihren Fans bekommen?
Matthias Jabs: Die einen haben gesagt, schade, da wäre ich gerne hingegangen. Andere haben gesehen, dass wir verschieben mussten. Nicht nur wegen der fehlenden Planungssicherheit, sondern auch wegen Zuliefer- und Personal-Schwierigkeiten, die durch die Pandemie entstanden und bis jetzt nicht weggegangen sind. Damit kämpfen die Veranstalter heute noch. Wir haben in der Zeit Shows in Belgien und Frankreich spielen können.
In Berlin haben die Scorpions ja einen ganz besonderen Kult-Status. Wegen der Wiedervereinigung, wegen der Auftritte am Brandenburger Tor, wegen „Wind of Change“. Wie ist es für Sie, nach Berlin zu kommen?
Klaus Meine: Berlin ist natürlich immer ein ganz besonderer Ort, mit dem wir über die Jahre sehr tief verbunden sind. Die Berliner wollen abrocken und Spaß haben. Den werden wir ihnen definitiv geben.
Was erwartet die Zuschauer denn beim Konzert in der Mercedes-Benz Arena? Ihre US-Tour war immerhin mit Whitesnake geplant.
Klaus Meine: Geplant war, dass wir als Headliner mit Whitesnake als Special Guest und dem Support Thundermother aus Schweden, eine reine Girlsband, auf Tour gehen. Whitesnake musste aber aus gesundheitlichen Gründen absagen. Aus diesem Grund waren es nur die Scorpions und Thundermother, was während der gesamten Tour hervorragend funktioniert hat. Daraufhin haben wir uns entschieden, die Band auch mit nach Deutschland zu nehmen. Die werden abrocken. Insofern ein sehr interessantes Package.
Beim Konzert in Berlin haben Sie natürlich Ihr aktuelles Album „Rock Believer“ im Gepäck. Das erste Studioalbum seit sieben Jahren. Was war die Motivation, um dieses 19. Album aufzunehmen?
Klaus Meine: Wir wollten noch mal ein neues Album für unsere Hard’n‘Heavy-Community machen. Zeitgleich fiel das in die Pandemie. So dass wir die Zeit gut nutzen konnten, in unsere kreativen Welten einzutauchen und neue Songs zu schreiben. Nach hinten raus gab es keinen Druck. Wir konnten uns richtig reinknien und noch mal ein Album machen, wie wir es uns vorstellen. In der Hoffnung, dass wir unsere Fans damit mitten ins Herz treffen. Ich glaube, das hat auch ganz gut funktioniert. In dem Sinne, dass wir die alte Scorpions-DNA noch mal neu belebt haben. Es war vor allem aber auch eine Entscheidung zu sagen, wenn wir in den nächsten Jahren auf Tour gehen, dann wollen wir neue Songs präsentieren und nicht einfach nur die alten Klassiker spielen.
Das neue Album ist ja kantiger geworden als die Vorgänger. Ist das die Scorpions-DNA?
Matthias Jabs: Das könnte man so sagen. Wir haben pandemiebedingt auch auf einen Produzenten verzichten müssen. Wir hatten es versucht, mit dem Produzenten aus Los Angeles über Zoom das Album aufzunehmen. Aber wir alle mussten uns eingestehen, es hat keinen Sinn, wenn man nicht in einem Raum ist. Daher haben wir ohne einen Produzenten weitergemacht und uns voll auf uns selbst konzentriert. Dabei ist genau die Scorpion-Essenz rausgekommen, die uns ausmacht.
Da fragt man sich angesichts der international hymnischen Kritiken, ob ein Produzent überhaupt notwendig ist?
Klaus Meine: Eine berechtigte Frage. Aber wir haben ja auch mit hervorragenden Produzenten zusammengearbeitet. Es kommt sehr darauf an, wie man ein Album aufnimmt. Diesmal haben wir eher auf ein rohes Album gesetzt. Wir sind alle zusammen gekommen, haben zusammen Musik gemacht, empfunden, gefühlt. Einer unserer Freunde hatte 2018 nach einem Konzert in Athen zu uns gesagt, wenn ihr noch mal ein Album macht wie „Blackout“, würde das die Fans überall auf der Welt begeistern. Ein großes Wort, noch mal ein Album von 1982 als Inspiration zu nehmen und zu sagen, dann legen wir jetzt los und machen ein ähnliches Album. Erst mal guckst du ja, ob du überhaupt wieder in diesen kreativen Flow reinkommst, und dann, was dabei herauskommt. Aber die Weichen waren gestellt, wieder ein Album in diese Richtung zu machen.
Mittlerweile kommen drei Generationen von Fans zu Ihren Konzerten. Wie erleben Sie die steigende Zahl junger Fans bei Konzerten oder bekommen Sie auf der Bühne wenig davon mit?
Klaus Meine: Das bekommt man natürlich mit. Es ist sehr motivierend, dass wir die junge Generation mit unserer Musik erreichen. Die stehen ja vor der Bühne. Aber es mischt sich super. Und es ist einfach großartig nach so vielen Jahren für drei Generationen zu spielen. Da kommt so eine positive Energie rüber. Die Anspannung, die man vor einem Konzert immer hat, fällt sofort ab, wenn man in die Gesichter blickt. Und die junge Leute, die da vor der Bühne stehen, haben jede Menge Spaß. Mit Songs, die zum Teil geschrieben wurden, als sie noch nicht auf der Welt waren.
Beeinflusst Sie das auch beim Konzept Ihrer Show?
Matthias Jabs: Eher weniger. Wir wissen ja, dass wir junge Fans haben. Bei unseren YouTube-Abonnenten sind 80 Prozent zwischen 18 und 28 Jahren. Das ist für eine Band, die schon so lange unterwegs ist, natürlich erstaunlich. Die jungen Fans drängeln sich nach vorn, weil sie alles aus der Nähe betrachten wollen, und verzichten auf den Sitzplatz, weil sie sich bewegen wollen. Aber wir sind ja auch eine Band, die sich auf der Bühne viel bewegt. Nicht mit einer Choreographie wie die Backstreet Boys. Wir machen das eben so, wie wir es machen.
Sie gehören seit einigen Wochen mit über einer Milliarde Klicks von „Wind of Change“ zum „Billionaire-Club“ auf YouTube. Wie fühlen Sie sich damit?
Klaus Meine: Ausgezeichnet. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Vevo sind wir sogar noch ein bisschen länger im Billionaires-Club.
Streamingportale wie YouTube oder Spotify werden ja ganz allgemein von den meisten Musikern eher kritisch gesehen. Wie stehen Sie dazu?
Matthias Jabs: Die Verbreitung ist sicherlich eine größere. Aber die Wertschätzung der Musik ist natürlich im Vergleich wesentlich geringer, als wenn man physisch CDs oder Vinyl Alben verkauft. Es ist schon auch von Seiten der Musikindustrie eigentlich eine Frechheit den Künstlern gegenüber, sie mit 0,00001 Prozent oder so abzuspeisen. Das geht in die falsche Richtung.
Sie haben die Lyrics von „Wind Of Change“ wegen des Ukraine-Kriegs geändert, um ein Statement zu setzen und sich mit der Ukraine solidarisch zu erklären. Glauben Sie an die verändernde Kraft der Musik?
Klaus Meine: Daran haben wir immer geglaubt. Natürlich wäre es in diesen Kriegszeiten vermessen zu sagen, dass ein Song oder Musik einen Krieg beendet könnte. Das sehen wir realistisch. Grundsätzlich sind wir angetreten, wo immer wir gespielt haben, ganz besonders in Russland, in der Ukraine, in Belarus, im Nahen Osten, um mit Musik Brücken zu bauen und Menschen friedlich zusammen zu bringen. Ich bin noch nicht bereit, diese Hoffnung aufzugeben, dass Musik vielleicht etwas ändern kann.