Rückgabeforderungen

Warum der Hohenzollernchef auf 4000 Kunstwerke verzichtet

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Georg Friedrich Prinz von Preußen äußert sich zur Geschichte des Hauses Preußen im 20. Jahrhundert in der Bundespressekonferenz.

Georg Friedrich Prinz von Preußen äußert sich zur Geschichte des Hauses Preußen im 20. Jahrhundert in der Bundespressekonferenz.

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Georg Friedrich Prinz von Preußen beendet den jahrelangen Streit über 4000 Kunstwerke. Nun erklärte er seine Gründe.

Berlin. Sein Auftritt hatte schon den Hauch einer Charme-Offensive. Lächelnd erklärte der amtierende Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen am Donnerstag, warum er nach einem jahrelangen Streit über ungeklärte Eigentumsfragen und Ausgleichsleistungen für 4000 Kunstwerke jetzt öffentlich seinen Verzicht darauf erklärt. „Damit möchte ich den Weg freimachen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert nach dem Ende der Monarchie“, sagte der 46-Jährige in der Bundespressekonferenz.

Das Haus Hohenzollern will offenkundig etwas Ruhe in die politischen Diskussionen rund um die Naziverstrickungen von Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951) bringen. Historische Materialien auch über andere Familienmitglieder werden jetzt zur Begutachtung mit auf den Tisch gelegt. Eine digitale Quellensammlung zum umstrittenen Kronprinzen ist auf der Homepage der Hohenzollern www.preussen.de freigeschaltet. Von einem Wunsch nach Versachlichung war am Donnerstag die Rede.

Der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin verhandeln mit den Hohenzollern seit 2014 über die Rückgabe von zahlreichen Kunstobjekten und über Entschädigungen. Aber nach dem Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System „erheblichen Vorschub geleistet hat“. Nachdem das Land Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat, stockten die Gespräche. Brandenburg hatte eine Entschädigung auf Grundlage des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen hatten die Hohenzollern geklagt. Es geht um 1,2 Millionen Euro.

Historiker streiten über das Wirken des Kronprinzen in der Nazi-Zeit

In der zweiten Klage geht es etwa um Inventar aus den Schlössern Rheinsberg und Cecilienhof in Potsdam. Auch in diesem Streitfall hatte das Land eine Entschädigung mit der Begründung abgelehnt. Der am Donnerstag anwesende Berliner Historiker Peter Brandt, dessen Gutachten die Position Brandenburgs untermauerte, schrieb dem Kronprinzen „nach wie vor“ eine Rolle zu, dem NS-System erheblichen Vorschub geleistet zu haben. Brandt sprach von einer „symbolischen Figur“ und wollte sich nicht über juristisch schwammige Begrifflichkeiten wie „erheblichen Vorschub“ auslassen. Beiläufig plauderte der Professor über die Unbeliebtheit des Kronprinzen in Adelskreisen wegen seines unwürdigen Lebenswandels.

Georg Friedrich Prinz von Preußen sprach am Donnerstag davon, dass er zeitweilige Sympathien seines Urgroßvaters für die Nationalsozialisten sehe, mehr aber nicht. „Auch wenn ich selbst weder Historiker noch Jurist bin, lässt sich aus meiner Sicht nicht nachweisen, dass mein Urgroßvater dem Regime erheblichen Vorschub geleistet hat, selbst wenn er dies vielleicht gewollt hätte“, sagte er. „Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Kronprinz Wilhelm zeitweise mit den Nationalsozialisten sympathisiert hatte.“ Mit Blick auf die Familiengeschichte fügte er hinzu: „Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus Hohenzollern sein.“

Es gebe ein kontroverses Thema, so von Preußen, dass seit Jahren den geschichtswissenschaftlichen Diskurs überlagere. „Seit der Wiedervereinigung befindet sich meine Familie in Gesprächen mit Bund und Ländern, wie die ungeklärten Eigentumsverhältnisse an mehr als 10.000 Kunstwerken aus den königlich-preußischen Sammlungen mehr als hundert Jahre nach dem Ende der Monarchie abschließend geregelt werden können.“ Jetzt hat er schon überraschend den Verzicht auf 4000 Kunstwerke und die damit verbundenen Entschädigungen erklärt.

Die Zahl ist schnell erklärt. „Für die Zuordnung von 4000 dieser mehr als 10.000 Objekte ist das Handeln meines 1951 verstorbenen Urgroßvaters relevant“, sagte der Geschäftsmann, der seit 1994 Oberhaupt der brandenburg-preußischen Linie des Hauses Hohenzollern ist. „Dabei geht es um die Frage, ob und in welchem Ausmaß sich die frühere Kronprinz in der Endphase der Weimarer Republik dazu beigetragen hat, dem Nationalsozialismus den Boden zu bereiten. Sollte man ihm nachweisen können, dass er in erheblichen Maße Vorschub geleistet hatte, dann würden jene 4000 Werke an den Staat gehen, andernfalls zurück an unsere Privatsammlung.“ Die Frage ist jetzt durch den Verzicht unerheblich geworden.

Der Historiker Lothar Machtan, dessen Buch „Der Kronprinz und die Nazis“ 2021 mitten hinein in den Streit um die Entschädigungsforderungen der Hohenzollern gestoßen hatte, glaubt, dass der ehemalige Kronprinz politisch unfähig war, „dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub zu leisten, obwohl er das punktuell sogar gewollt hat.“

„Kein Aktivposten, eher eine Trumpfkarte“

Der Bremer Professor sagte, dass der Kronprinz „kein Aktivposten, eher eine Trumpfkarte“ im Verwirrspiel der Nazis war. Es ging um Gerüchte und Berichte. Machtan hat für die Hohenzollern jetzt die 1500 Primärquellen für die Homepage aufbereitet und eingeordnet. Auf dem Podium saß am Donnerstag auch die junge Doktorandin Antonia Sophia Podhraski, die ihre Arbeitshypothesen für Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1907-1994) vortrug. Sie betonte seine „royale und zugleich demokratische Ausstrahlung“.

Er werde auch „weiterhin die kritische Aufarbeitung unserer Familiengeschichte“ durch Wissenschaftler bestmöglich unterstützen, versprach Georg Friedrich Prinz von Preußen am Donnerstag. Darüber hinaus beschwor er das gemeinsame künstlerische Erbe, das der Öffentlichkeit dauerhaft erhalten werden müsse. „Daher bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, auch Lösungen für die übrigen Kunstwerke zu finden, deren rechtliche Zuordnung nicht von der historischen Rolle meines Urgroßvaters abhängig ist.“ Die Verhandlungen gehen also weiter.