Mal ehrlich: Die Münsteraner sind zwar mit Abstand die beliebtesten „Tatort“- Kommissare. Aber vor allem die Sprüche von Gerichtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) sind oft grenzwertig, nicht nur was die Körpergröße seiner Assistentin Alberich (Christine Urspruch) angeht. Auch im neuen Fall machen sich die beiden gehörig über das Gendern und das Binnen-I lustig. Der schwule Assistent Schrader (Björn Meyer), der es vehement verteidigt, wird von Kommissar Thiel (Axel Prahl) prompt als „Schraderin“ verunglimpft.
Alte weiße Männer? Auch der Sender scheint das Problem erkannt zu haben
Und dann kriegen sich die alten weißen Herren auch noch darüber in die Wolle, ob sie eine Putzkraft anheuern sollten – und wie man die dann politisch korrekt nennt. Das klingt verdächtig nach Altherrenwitz. Aber die Macher des Münster-„Tatorts“ scheinen das Problem selbst erkannt zu haben. Deshalb ist Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) diesmal auf der Suche nach einer oder einem Sensibilitätsbeauftragen. Und die/der dürfte künftig gut zu tun haben.
Passenderweise bekommen es die Ermittler in der Folge „MagicMom“ mit einem Frauenbild zu tun, das ihnen gehörig fremd ist. Sie stoßen auf die Leiche einer Frau, die zwar an einem Stromkabel von der Decke hängt, aber nicht, wonach es zunächst aussieht, Selbstmord verübt hat. Sie war schon vorher tot. Wer aber tut sowas? Die Liste der Verdächtigen wird bald lang.
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Da ist der Ehemann (Golo Euler), der sich in Trennung befand und sich um das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder stritt. Da sind aber vor allem viele – jetzt halten wir uns mal an den Kollegen Schrader – NeiderInnen. Denn die Tote war eine Influencerin, die als titelgebende MagicMom von zuhause aus Tipps für andere gestresste Mütter gab. Und damit mehr Follower erreichte als die Nachbarin mit ihrem Yoga-Blog.
Unter den Followern gab es aber nicht nur Fans, sondern auch, na klar, Männer, die ihr Böses wollten. Und dann ist da noch eine Konkurrentin, die ebenfalls Mutti-Tipps im Netz gibt – auch wenn sie gar keine echte Mutter und ihr Kind nur Fake ist. Also jede Menge Motive. Und lauter Steilvorlagen für trockene Kommentare, mit denen vor allem Boerne wieder nicht zurückhält.
Eine Verfolgungsjagd auf dem Fahrrad? Das gab es schon im Stuttgarter „Tatort“
Doch es ist wohl kein Zufall, dass diesmal alle Figuren ein zusätzliches Korrektiv erhalten. Bei Thiel ist es eben Schrader, dessen Rolle immer größer wird. Bei Boerne in der Pathologie gibt es eine neue Praktikantin, die auch als Erste die prominente Tote erkennt. Und selbst die Staatsanwältin hat diesmal einen minderjährigen Großneffen im Schlepptau, der auch zur Polizei will und am Ende auch kurz eine Schlüsselfunktion übernimmt.
Ein Running Gag der Folge ist, dass Boerne seine altklugen Weisheiten mal nicht wie üblich mit erhobenem Zeigefinger von sich gibt, sondern dass diese Passagen diesmal wie ein Influencer-Filmchen im Netz inszeniert sind. Wenn der Mann da mal nicht auf den Geschmack kommt: Im Netz wäre Boerne vermutlich – ein Burner. Der ironische Showdown indes – eine Verfolgungsjagd auf dem Fahrrad – haben wir so ähnlich schon in einem „Tatort“ aus Stuttgart erlebt. Das wird beim zweiten Mal nicht unbedingt komischer.
Am Ende hocken die ewigen Kampfhähne Thiel und Boerne aber traut nebeneinander am Binnenhafen. Schlecken genüsslich ein Eis. Und tauschen es sogar miteinander. Das könnte man wiederum ernährungshygienisch bedenklich finden. Aber diese Spaß-“Tatorte“ wollen halt auch immer ein Zuckerschlecken sein. Und wenn sich die beiden ja sonst nichts schenken, gönnen sie sich auch mal gegenseitig was.