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Warum Franziska Weisz ihre Schulzeit überhaupt nicht mag

| Lesedauer: 7 Minuten
Rüdiger Sturm
Die Wahlberlinerin Franziska Weisz ist ab Dienstag in der ARD-Miniserie „Tage, die es nicht gab“ zu sehen.

Die Wahlberlinerin Franziska Weisz ist ab Dienstag in der ARD-Miniserie „Tage, die es nicht gab“ zu sehen.

Foto: ARD/ORF/MR Film / ARD/ORF/MR Film/Thomas Ramstorfe

Schauspielerin Franziska Weisz fühlte sich in der Jugend als Außenseiterin. Hier erzählt sie, wie sie sich davon befreite.

Als „Tatort“-Kommissarin Julia Grosz ist Franziska Weisz eine feste Größe der deutschen Fernsehlandschaft. Eine andere Facette ihrer Persönlichkeit zeigt die Wahlberlinerin jetzt in der Miniserie „Tage, die es nicht gab“, in der sie als Teil eines Kleeblatts von vier Freundinnen mit tragischen Ereignissen der Vergangenheit konfrontiert wird. Im Interview taucht die 42-Jährige in ihre eigene Vergangenheit ein, die nicht nur mit angenehmen Erinnerungen verknüpft ist. Eine der problematischen Assoziationen von früher knüpft sich dabei an die Figur der Schlumpfine.

„Tage, die es nicht gab“, dreht sich um eine ganze Reihe komplexer Frauenschicksale. Solche Arten von Geschichten gab es ja früher nicht so häufig. Oder wie sehen Sie das?

Franziska Weisz: Das ist richtig. Sie und ich sind mit lauter Männer-Ensembles aufgewachsen, ob die Glorreichen Sieben oder die Schlümpfe. Das traf speziell auf das Kinderfernsehen zu. Da gab es viele Identifikationsfiguren für Jungs – den Dicken, den Dünnen, den Alten, den Lustigen. Für Mädchen gab es nur Figuren wie die Schlumpfine, die war angepasst und hübsch. Jungen oder Männer konnten zum Beispiel sagen: Ich bin zwar nicht der Schlauste, aber dafür bin ich lustig. Und das Mädchen hatte eben nur diese Schlumpfine, mit der es sich identifizieren konnte. Es musste in die ‚Hübsche-Fällt nicht auf‘-Form hineinpassen. Und das spiegelt sich insgesamt in der Gesellschaft wider – bis hin zur Kleidung. Vor kurzem hatte ich ein Zufallsgespräch mit einem Schneider, der meinte, dass viel mehr Männer Maßanfertigungen bestellen. Die sagen „Machen Sie was Schönes, das gut für mich passt. Eine Frau dagegen sagt „Wenn ich jetzt noch sieben Kilo abnehme, dann passe ich wieder in dieses tolle Kleid.“ Sie nimmt sich nicht die Freiheit zu sagen „so bin ich nun mal“ , wie das Männer tun.

Wollten Sie denn wie die Schlumpfine sein, als Sie jünger waren?

Es gab ja gar keine Alternative dazu. Ich dachte, das ist halt so. Aber ich habe mich als Außenseiterin wahrgenommen, weil ich nicht reingepasst habe.

Als Außenseiter kann man auch cool sein. Oder war das für Sie ätzend?

Ätzend. Deshalb mag ich auch meine Schulzeit überhaupt nicht. Für mich hat das Leben nach der Schule begonnen.

Wann wurde das besser?

Je weiter ich auf meinem Lebensweg kam, desto interessanter wurden die Menschen um mich herum, weil wir die Interessen geteilt haben. In der Schule saß ich neben Menschen, die zufälligerweise aus dem gleichen Ort kamen. Mit den Menschen an der Uni verband mich schon viel mehr, wobei ich immer noch als Außenseiter gefühlt habe, zumal ich in England studiert habe. Als ich dann mit 25 in der Medienlandschaft und beim Film angekommen bin habe ich gemerkt, dass da Freaks aus allen möglichen Richtungen angeschwemmt worden sind. Da habe ich mich gleich zuhause gefühlt.

Um eine traumatische Schulzeit geht es auch in der Serie. Haben Ihnen Ihre Eltern Druck gemacht, dass Sie sich anpassen?

Es lief ganz anders. Ich habe mich in der Schulzeit zum Nerd entwickelt. Mit 13 blieb ich fast sitzen. Mit acht Vierern – in Österreich ist Fünf die schlechteste Note – kam ich gerade so durch. Danach hatte ich so viel Schiss, sitzen zu bleiben. Ich dachte, wenn ich schon bei den Gleichaltrigen der Außenseiter bin und dann auch noch wiederholen muss, wird das ganz furchtbar. Deshalb habe ich wie eine Wahnsinnige zu lernen begonnen und mich in meiner ganzen Teenagerzeit in meinen Büchern vergraben. Meine Mutter versuchte mich dann sogar rauszukriegen nach dem Motto „Kind, draußen scheint die Sonne.“ Nach der Schulzeit meinte ich zu ihr, ich würde gerne Wirtschaft studieren, aber sie sagte: „Mach dich nicht unglücklich. Du bist doch so kunstinteressiert.“ Aus ihrer Sicht wäre ich als Kunst- oder Theaterkritikerin besser aufgehoben gewesen. Sie kannte mich da wohl besser als ich mich selbst.

Blicken Sie gerne auf solche Erlebnisse zurück? Ihre Figur in der Serie will ja lieber einen Deckel auf die Vergangenheit machen.

Ja, das mache ich schon. Aber mir wurde gesagt, dass sie für viele die Erinnerung an die Teenagerzeit verschwommen ist, weil das Gehirn das als Selbstschutz macht. Als renitenter Teenager benimmt man sich so furchtbar gegenüber den Eltern, dass man vieles, was man ihnen an den Kopf geworfen hat, vergisst, und die Eltern vergessen das ohnehin, denn sie lieben ja ihre Kinder. Ansonsten könnte man den Eltern nicht mehr ruhigen Gewissens unter die Augen treten.

Hat sich das Außenseitergefühl inzwischen völlig aufgelöst?

Wenn sich das aufgelöst hätte, würde das bedeuten, dass ich mich immer komplett als Teil der anderen fühle. Das ist natürlich nicht der Fall. Aber inzwischen bin ich eben erwachsen. Und deshalb weiß ich, dass ich mich nicht immer zugehörig fühlen muss, damit es mir gut geht.

Ist es eine gewisse Ironie, dass Sie als Außenseiterin eine „Tatort“-Kommissarin, also eine Vertreterin von Recht und Gesetz spielen?

Nein, denn die Figur wurde auch als Steppenwolf eingeführt. Sie hat sich zwar inzwischen immer mehr mit Thorsten Falke arrangiert, aber ich sehe Julia Grosz nicht als jemand, der nach Feierabend mit Kollegen einen trinken geht. Sie ist noch mehr Außenseiterin als ich.

Ist dann ein Projekt wie „Tage, die es nicht gab“ nun typisch für die Veränderungen in der Branche? Finden sich mehr gute weibliche Rollen?

Es ist tatsächlich so: Die Rollen für Frauen werden komplexer und auch mehr. Für Frauen wie mich finde ich nur schade, dass es jetzt die Besessenheit gibt, ganz junge Frauen zu besetzen. Für die ist jetzt eine Superzeit, aber man muss schauen, dass man das über die Generationen hinweg aufrecht erhält. Das ist also noch ausbaufähig. Trotzdem ist es auch für mich besser geworden. Als ich mit dem Beruf begonnen habe, hieß es: Ab 40 ist für Frauen in der Schauspielerei Schluss.

Warum ließen Sie sich auf einen Beruf ein, in dem es nach einer bestimmten Zeit vorbei sein sollte?

Ich hatte damals mein Politikstudium abgeschlossen, und mein Gedanke war: Gehe ich jetzt meinem gelernten Studium nach oder nehme ich das, was mir geschenkt wird. Der Filmanfang war für mich wahnsinnig einfach. Ich wurde entdeckt und eine Rolle folgte der nächsten. Wenn ich aus der Überlegung ‚Wie wird es in 20 Jahren sein?‘ den Stecker gezogen hätte, wäre das doof gewesen. Ich wollte einfach dabei bleiben. Und weil ich kein Mensch bin, der plant, dachte ich, ich mache jetzt mal, das was sich gut anfühlt.