Der Sonntags-Krimi

„Polizeiruf“: Die Wege des Herrn führen auch durch die Mark

| Lesedauer: 4 Minuten
Ermitteln zusammen trotz großer Diskrepanzen: Vincent Ross (André Kaczmarzcyk, l.) und Ortspolizist Karl Rogov (Frank Leo Schröder).

Ermitteln zusammen trotz großer Diskrepanzen: Vincent Ross (André Kaczmarzcyk, l.) und Ortspolizist Karl Rogov (Frank Leo Schröder).

Foto: ARD / rbb/Volker Roloff

Im „Polizeiruf 110“ liegt ein toter Pilger auf dem Jakobsweg. Und ein Dorfpolizist mischt sich ständig in die Ermittlungen ein.

Es ist ein weiter Weg nach Santiago de Compostela. Und ein beschwerlicher. Auch wenn das eigentliche, geistliche Ziel immer mehr in den Hintergrund tritt, ist das Pilgern schwer en vogue: um eine Auszeit zu nehmen, um zur Ruhe und vor allem zu sich selbst zu kommen. „Ich bin dann mal weg“: Immer mehr Deutsche machen sich auf den Weg, um ihren inneren Frieden zu finden.

Wenn ein Krimi davon handelt, ist es damit freilich schnell vorbei. So beginnt denn auch „Der Gott des Bankrotts“, die neue Folge „Polizeiruf 110“ an der deutsch-polnischen Grenze damit, dass eine Leiche nur wenige Meter von einem Pilgerweg entfernt gefunden wird. Was Kommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk), der hier erst zum dritten Mal ermittelt, nicht weiß: Die Pilgerroute gehört zum Jakobsweg. Sein weltlich-lakonischer Kommentar: „Die Wege des Herrn führen auch durch Brandenburg.“ Aber sie enden hier eben manchmal auch.

Auf dem Jakobsweg pilgern lauter Verdächtige

Der tote Pilger war ein Bankrotteur, der wohl vor seinen Sorgen davon gelaufen ist. Aber wer könnte ihn aus nächster Nähe erschossen haben? Andere Pilger haben nichts gesehen. Es ist aber schon ein merkwürdiger Zufall, dass unter den Wallfahrern auch Maria (Anna-Maria Bednarzik) ist, die Tochter eben jenes Insolvenzverwalters Udo Schick (Bernhard Schir), der auch beim Toten vorstellig wurde.

Und eine weitere Pilgerin, Caroline (Maj-Britt Klenke), ist die Tochter einer Unternehmerin, die ebenfalls vor dem Ruin steht. Und ebenfalls mit Schick zu tun hat. Und wie sich herausstellt, ist Schick auch noch mit deren Anwalt, Jonathan Hüter (Godehard Giese), liiert. Der denn eher die Interessen seines Partners vertritt als die seiner Klientin. Es gibt also mehr als genug Verdächtige. Innerer Frieden? Von wegen.

Lesen Sie auch:Gastauftritt für Krimiliebhaber Joshua Kimmich im neuen Münchner „Tatort“

Das Laufen ist eine schöne Metapher für den „Polizeiruf“ am Rande Brandenburgs. Denn auch kommissarstechnisch war das hier zuletzt ein Kommen und Gehen. Erst stieg Maria Simon aus der Fernsehreihe aus, ihr Partner Lukas Gregorowicz hatte dann übergangsweise einen Solo-Fall, bekam dann vor genau einem Jahr mit André Kaczmarczyk einen deutlich jüngeren und genderfluiden Partner an die Seite, der seinen Dienst im Rock begann. Aber schon mit der zweiten gemeinsamen Folge, erst im Dezember, quittierte dann auch Gregorowicz den Dienst.

Im neuen Fall ermittelt jetzt Vincent Ross allein. Oder doch nicht. Weil ein Polizisten vor Ort, Karl Rogov (Frank Leo Schröder), sich ständig einmischt und den Fall nicht abgeben will. Schließlich hat er die Leiche gefunden. Es war überraschend genug für diesen ländlichen „Polizeiruf“, dass der queere Kommissar mit den kajalgeschminkten Augen und dem femininen Auftreten bisher so freimütig toleriert wurde.

Ein ziemlich ungleiches - und dadurch wieder recht spannendes Duo

Dieser Rogov reagiert dagegen erst mal tief-gestrig,will den auffälligen Herrn vom Tatort verscheuchen und kann nicht glauben, dass er Kommissar ist. Aber um zu demonstrieren, was Toleranz ist, lässt Ross Rogov mitermitteln – sehr zum Verdruss seiner Kollegen im Büro. Ein ziemlich ungleiches – und dadurch wieder recht spannendes Duo. Selbst wenn der Ältere dem Vegetarier Döner mit Hähnchen bringt. Auch hier wieder eine Pilger-Metapher: Es ist noch ein weiter Weg zu mehr Verständnis.

Ist das nun der Einstand eines neuen Partners? Das wäre immerhin, wo zuletzt Krimineubesetzungen ja immer noch jünger ausfallenmüssen, mal was Neues. jetzt man einen älteren und konservativeren Partner aufzubieten. Gar eine Neuversion des alten Sidekicks Horst Krause? Aber nein: Der Auftritt von Frank Leo Schröder bleibt einmalig. Gleichwohl soll André Kaczmarczyk künftig nicht allein ermitteln. Die Suche ist – im Gange.