Boulez-Saal

Staatskapelle spielt Modernes und Märchenhaftes

| Lesedauer: 2 Minuten
Mario-Felix Vogt
Die französisch-zypriotische Sopranistin Sarah Aristidou.

Die französisch-zypriotische Sopranistin Sarah Aristidou.

Foto: Andrej Grilc

Unter dem britischen Dirigenten Finnegan Downie Dear beindruckte die Staatskapelle im Pierre-Boulez-Saal.

Wahrlich ein interessantes Programm hatte Finnegan Downie Dear für sein Konzert mit der Staatskapelle im Pierre-Boulez-Saal zusammengestellt. Mit Anton Weberns „Variationen“ für Orchester op. 30 und einer Orchesterfassung von vier Stücken aus Arnold Schönbergs „Sechs kleinen Klavierstücken“ op. 19 stellte der Brite zwei Klassiker der Zweiten Wiener Schule zeitgenössischen Stücken von Hans Abrahamsen (Jahrgang 1952) und George Benjamin (Jahrgang 1960) gegenüber; als Finalwerk kam Maurice Ravels Märchensuite „Ma mère l’oye“ hinzu.

Finnegan Downie Dear startete als Assistent von Pultgrößen wie Simone Young und Daniel Harding seine Dirigentenkarriere und gewann 2020 den prestigeträchtigen Mahler-Wettbewerb. Sein Dirigierstil verbindet auf beeindruckende Art und Weise absolute Präzision mit Geschmeidigkeit und Klarheit. Wunderbar durchsichtig, sehr synchron und filigran erklangen da Weberns minimalistische „Variationen“, die in gerade mal acht Minuten dauerten enorm viel musikalisches Material entfalteten.

Anschließend stand eine Auswahl von Schönbergs „Sechs kleinen Klavierstücken“ op. 19 auf dem Programm, von denen der dänische Komponist Hans Abrahamsen vier für Orchester bearbeitete. Diese ebenfalls sehr aphoristischen Werke sind ein absoluter Klassiker der atonalen Klaviermusik, für viele Nachwuchspianisten stellen sie das erste Klavierstück der Moderne dar, das diese einstudieren.

Staatskapelle brachte die raffinierte Orchestrierung zum Klingen

Die Staatskapelle gab hier ihr bestes, um die raffinierte Orchestrierung mit vielfältigem Schlagwerk, Celesta und Harfe zum Klingen zu bringen. Ob diese Bearbeitung für Orchester wirklich gelungen ist, scheint jedoch fraglich, da diese Musik sehr intim gedacht ist und ganz aus den klanglichen Möglichkeiten des Klaviers heraus komponiert ist.

Deutlich überzeugender war da Abrahamsens Eigenkomposition „Märchenbilder“, die Elemente des Spätimpressionismus mit Ostinatofiguren der Minimal Music verband. Sehr komplex und hochvirtuos präsentierte sich das dreisätzige Werk, in dem insbesondere die Blechbläser mit hoher Klangkultur herausstachen. Auch das originelle Werk „A Mind of Winter“ des Engländers George Benjamin meisterte die Staatskapelle ganz famos. Hier brillierte die französisch-zypriotische Sopranistin Sarah Aristidou mit herausragender Stimmtechnik, die sie scheinbar völlig mühelos auch Töne in hoher Lage erreichte.

In seiner schräg-schillernden Klanglichkeit erinnerte das Stück bisweilen an die Musik von Benjamins Lehrer Olivier Messiaen, aber auch an Ensemblewerke von Pierre Boulez. Mit Ravels „Ma mère l’oye“ begab sich die Staatskapelle zum Schluss nochmals in märchenhafte Sphären und bezauberte das Publikum mit französischen Farben. Die großteils studentisch jungen Zuhörer im gut gefüllten Boulez-Saal bedankten sich mit reichlich Applaus.