Film

„Die Frau im Nebel“: Objekt der Begierde

| Lesedauer: 3 Minuten
Barbara Schweizerhof
Das Mädchen (Tang Wei) und der Kommissar (Park Hae-il).

Das Mädchen (Tang Wei) und der Kommissar (Park Hae-il).

Foto: Studiocanal

Klassischer Film Noir um einen Kommissar und eine Femme Fatale, aber ganz neu erzählt: „Die Frau im Nebel“ ist ein Spiel mit dem Genre.

„Die Frau im Nebel“, der neue Film des koreanischen Kultregisseurs Park Chan-wook („Oldboy“, „The Handmaiden“) beginnt eher wie eine Krimi-Parodie denn wie ein veritabler Thriller: Man sieht zwei Polizisten beim Schießtraining in der Kabine. Während sie die Zielscheiben zu sich heranrollen, stellt der eine von ihnen lakonisch fest, dass es zur Zeit so wenig Morde in der Stadt gäbe, ob es am Wetter liege?

Aber dann fällt ihnen ihr nächster Fall quasi direkt vor die Füße: Ein älterer Hobby-Bergsteiger ist vom Steilhang eines beliebten Kletterfelsens vor den Toren der Stadt gestürzt. Inspektor Hae-joon (Park Hae-il) besichtigt mit seinem Assistenten Soo-wan (Go Kyung-pyo) die Leiche noch am vermeintlichen Tatort.

Was als Parodie beginnt, wechselt schon bald dramatisch die Tonlage

Der ernste Hae-joon ist einer der jüngsten Polizisten in Busan, die es in den Rang eines Inspektors gebracht haben. Sein Vorgehen im Bergsteiger-Fall belegt, wie akribisch er vorgeht: Er lässt es sich nicht nehmen, den Felsen gleich selbst zu erklettern, den von Höhenangst geplagten Klagen seines Assistenten zum Trotz. Fast zu seinem Bedauern deutet alles auf einen Unfall hin.

Aber dann vernehmen sie die erheblich jüngere Ehefrau (Tang Wei) des Verstorbenen, und das Bild und der Ton des Films ändern sich schlagartig. Es reicht ein Blick, den Hae-joon mit der schönen jungen Frau austauscht, und an Krimi-Parodie ist gar nicht mehr zu denken. Statt dessen befinden wir uns tief in einem jener klassischen Film-noirs, in dem ein Kommissar in die Fänge einer Femme fatale gerät.

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Der Trailer zum Film: „Die Frau im Nebel“

Oder ist es hier vielleicht sogar die Frau, die sich obsessiv in den Ermittlungen eines Mannes, der ihr sichtlich gut gefällt, verstrickt? In jedem Fall ist, was sich hier zwischen den beiden Hauptfiguren – ohne auch nur eine explizite Szene – abspielt, auf eine Weise sexy, wie man sie aus dem Gegenwartskino gar nicht mehr kennt.

Dabei legt Park Chan-wook seinen Neo-noir nicht als nostalgische Stil-Übung an, sondern mit großer Freude an den modernen Techniken des Filmemachens und der zwischenmenschlichen Kommunikation. Statt dunkel-spiegelndem Asphalt und Macho-Attitüde gibt es eine verspielte Kameraführung mit oft extremen, überraschenden Perspektiven und einen Polizisten-Helden, der seine Verdächtige liebevoll bekocht und in einer besonders denkwürdigen Szene – er begreift, wie verdächtig sie doch ist! – ihre Hände fürsorglich mit Lotion einreibt.

Der Film wird getragen von der glaubhaften Anziehung seiner Hauptfiguren

Smartphones spielen eine besondere Rolle: die chinesisch-stämmige Verdächtige nutzt sie zur schnellen Übersetzung, wenn ihr Koreanisch nicht mehr genügt; die darauf gespeicherten Sprach- und Bild-Aufnahmen sind die MacGuffins der verzwickten Story, die in einer Weise Haken schlägt, als ginge es tatsächlich darum, den Zuschauer von der Spur abzubringen.

Auf wirklich bestrickende Weise wird der Film zusammengehalten von der glaubhaft instinktiven Anziehung zwischen seinen Hauptfiguren. Die chinesische Schauspielerin Tang Wei verleiht ihrer Femme fatale eine verführerisch-schüchterne, dem Klischee zuwider laufende Wärme. Und der Koreaner Park Hae-il findet als Ermittler die genau richtige Mischung aus Pedanterie und Sensibilität.