Im Studiofoyer der Akademie der Künste am Hanseatenweg steht eine Skulptur, die sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Arbeit des französisch-algerischen Künstlers Neïl Beloufa sieht aus wie Pikachú, das bekannteste Wesen aus der gleichnamigen Videospiel- und Animereihe. Nur ist das von Videobeamern bestrahlte und permanent Geräusche von sich gebende Objekt wesentlich interaktiver unterwegs: Es fordert die Besucherinnen und Besucher zum Austausch auf, möchte sich mit ihnen auf Twitter verbinden und auf ihre Gedanken, Meinungen und Entscheidungen während des Festivals Einfluss nehmen.
Mit den Möglichkeiten der Digitalisierung und Big Data wird unsere Welt in Echtzeit vermessen und von Algorithmen interpretiert – das reicht vom scheinbar Alltäglichen wie der maschinell kuratierten Twitter-Timeline bis hin zu Entscheidungen von weltpolitischen Dimensionen, Wahlergebnisse eingeschlossen. Das Festival für Medienkunst und digitale Kultur Transmediale, 1988 unter dem Namen VideoFilmFest als Nebenprogramm der Berlinale gegründet und in den Folgejahren unabhängig von ihr groß und immer größer geworden, widmet sich unter dem Titel „a model, a map, a fiction“ dem ungebrochenen Glauben an die Skalier- und Kartographierbarkeit aller gegenwärtigen Lebensbereiche und den Kosten dieser Praxis.
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Neben einem umfangreichen Vortrags-, Film- und Diskussionsangebot ruht der fünftägige Festivalkalender dabei auf zwei Programmsäulen, mit denen das künstlerische Leitungsteam um die irische Kuratorin Nora O Murchú viel Sinn für die Leitfiktionen der Gegenwart zu erkennen gibt. Zusätzlich zur eben erst eröffneten Nan-Goldin-Ausstellung am Hanseatenweg sind dort nun künstlerische Interventionen im ganzen Haus verteilt, die sich mit der neuen Datensammelwut und den Problemlagen des Planeten befassen – etwa in Gestalt der unter freiem Himmel aufgestellten, farbenfrohen Skulptur der chilenischen Klangkünstlerin Nicole L’Huillier, die mithilfe ihrer pinkfarbenen Membran alle Umgebungsgeräusche während der Transmediale aufzeichnen wird.
Die nicht nur im musealen Rahmen der Akademie, sondern unter dem Titel „Out of Scale“ im gesamten Stadtgebiet stattfindet, mit einem Stützpunkt im Weddinger Kulturquartier silent green. . Künstlerinnen und Künstler haben ihre Digitalkunst auf USB-Sticks geladen und in kleine Wundertüten verpackt, die nun in kooperierenden Spätis für 4,99 Euro erworben werden können. Auch die Ebay-Kleinanzeigen in der Rubrik „Zu verschenken“ sollten in den kommenden Tagen genau beobachtet werden. Hinzu kommen künstlerische Interventionen auf Plakatflächen in ausgewählten U-Bahnhöfen. Zur Transmediale gehört auch die Arbeit „ A Silent Opera for Anthropogenic Mass“ der katalanischen Künstlerin Joanna Moll. Mithilfe einer Anwendung auf dem Handy kann man dabei einer Route über dass Tempelhofer Feld folgen – Ausgangspunkt ist die beunruhigende Tatsache, dass das Gesamtgewicht aller vom Menschen geschaffener Objekte auf dem Planeten seit 2020 das der vollständigen Biomasse übersteigt.
Informationen: 2023.transmediale.de