Es gibt Fußballfans, die das Spiel und ihren Verein lieben. Und es gibt Hooligans, für die das Spiel nach dem Abpfiff noch lange nicht vorbei ist. Und in der „dritten Spielzeit“ auf die Anhänger der gegnerischen Mannschaft losgehen. Sich mit denen sogar an einsamen Orten verabreden, um sich zu prügeln. Im jüngsten „Tatort“ aus Saarbrücken, „Die Kälte der Erde“, sieht das ein wenig wie bei den New Yorker Straßengangs in der „West Side Story“ aus – und endet ebenfalls mit tödlichem Messerstich. Das Opfer schleppt sich noch mit letzter Mühe in die Notaufnahme, wo er jedoch tot zusammenbricht.
Lauter Verdächtige, die ihre Wut rauslassen müssen und Konfrontation suchen
Die Kommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) ermitteln erst mal auf der gegnerischen Seite. Und stoßen da auf viel Testosteron und Aggression. Aber auch die heimische Seite reagiert gereizt auf die Ermittler. Sowas klärt man unter sich.
Neben den äußerst gewaltbereiten Männern fällt eine junge Mutter auf, Alina (Bineta Hansen), die gehörig Druck ablassen muss. Dass da ein Freund gestorben ist, lässt sie kalt. Wie sich herausstellt, glaubte der Tote sogar, der Vater ihres Kindes zu sein. Was sie vehement abstreitet. Und dann ist da noch eine Ungereimtheit: In der Notaufnahme hatte ausgerechnet der Adoptivvater des Kindes Dienst. Steckt also ein familiäres Drama hinter der Tat?
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Die Kommissare kommen bald aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch weil ihre Kollegin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) sich als Fußballfan outet. Und all die Kumpels, die da zum Prügeln ausziehen, kennt. Auch sie kennt man im Vereinslokal. Nur wusste man bisher nicht, dass sie Polizistin ist. Und begegnet ihr wie den anderen Ermittlern offen feindselig.
Horizontaler Erzählstrang: Wie war das noch gleich im letzten Fall?
Aber in Saarbrücken hat jeder was zu verbergen. Vor allem Adam, der gleich anfangs brutal überfallen wird, seinen Kollegen aber vorgaukelt, vom Rad gefallen zu sein. Zum Kniff des Saarbrücker „Tatorts“ gehört ein horizontaler Erzählstrang, der in der letzten Folge mit dem Selbstmord von Adams Vater vermeintlich ein Ende nahm. Aber eben doch nicht: weil es da noch eine millionenschwere Beute aus einem Bankraub des Vaters gibt, hinter der seine ehemaligen Kumpane nun her sind. Noch mehr Aggression, noch mehr Gewaltbereitschaft.
Es fordert schon viel vom Publikum, einen Erzählfaden fortzusetzen, wenn man wie die Saarbrücker nur einen Fall pro Jahr dreht. Selbst Fans müssen da grübeln, wie das noch gleich war. Die ARD hat freundlicherweise die letzte Folge am vergangenen Freitag wiederholt, sie ist auch in der Mediathek abrufbar. Vielleicht sollte man sich aber auch mal wie in US-Serien behelfen mit einem „Was bisher geschah“. Das soll indes nicht abhalten von diesem spannenden und wieder sehr eindringlich gespielten Fall.
„Tatort: Die Kälte der Erde“: ARD, 29. Januar, 20.15 Uhr. Bereits jetzt in der Mediathek.