„Im Westen nichts Neues“ sahnte bei den Oscars ab. Diesen Rekord hat Edward Berger erreicht. Ein Porträt des Berliner Regisseurs.
Es ist eine Sensation. Der deutsche Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ hat vier Oscars gewonnen. Das hat in der Geschichte der Academy Awards zuvor kein deutscher Titel geschafft. Das gelang bislang lediglich internationalen Koproduktionen mit deutscher Beteiligung, wie „Aviator“, „Inglourious Basterds“ oder „Der Vorleser“. Mit neun Nominierungen war der Film an den Start gegangen. Am Ende gewann der in Berlin lebende Regisseur Edward Berger mit seinem Anti-Kriegsdrama vier Academy Awards, unter anderem in der Kategorie "Bester internationaler Film".
Edward Bergers Neuverfilmung des Romans von Erich Maria Remarque schreibt damit Geschichte. Einmal mehr. Bei den British Academy of Films and Television Arts, kurz Bafta, hatte die Produktion gleich sieben Preise eingeheimst. Unter anderem gewann die Verfilmung des Romans von Erich-Maria Remarque in der wichtigsten Kategorie "Bester Film".
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Wer aber ist dieser Mann, der all diese Rekorde bricht? Berger, 1970 in Wolfsburg geboren, hat schon öfter von sich reden gemacht. Das erste Mal vor 25 Jahren mit seinem Filmdebüt „Gomez - Kopf oder Zahl“, der 1988 beim renommierten Max Ophüls Filmfestival uraufgeführt wurde.
Über eine Emmy-Nominierung wurden die USA schon früh auf Berger aufmerksam
Und drei Jahre später gleich wieder mit „Frau2 sucht Happy End“ mit Ben Becker, eine Liebesgeschichte, die, damals neu, ihren Anfang per Internet-Chat nahm. Danach musste Berger durch eine Schule, wie sie in jener Zeit viele erfolgreiche Regisseure durchlaufen haben: Er durfte erst mal Folgen für diverse Krimireihen inszenieren (und teils auch schreiben): für „Schimanski“, „Tatort“, „Unter Verdacht“ und „KDD Kriminaldauerdienst“.
Die „Schimanski“-Folge „Asyl“ war nicht nur für einen Grimme Preis nominiert, sondern 2004 auch für einen Emmy. Da wurde das Ausland schon das erste Mal auf ihn aufmerksam. Und es ist wohl kein Zufall, dass Berger sein Regiestudium 1990 an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig begann, aber an der Tisch School of the Art der New York University beendete. Er hat wohl schon immer etwas internationaler gedacht. Ein Mann zwischen den Welten.
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Nach Fernsehfilmen wie „Ein guter Sommer“ (2011) und „Mutter muss weg“ (2012) wurde Berger dann auf der Berlinale 2014 für sein Filmdrama „Jack“ gefeiert, in dem sich ein zehnjähriger Junge um seinen kleineren Bruder kümmern muss, weil die Mutter sie im Stich lässt. Das Drehbuch schrieb Berger mit seiner Frau, der Schauspielerin Nele Mueller-Stoefen, die darin auch mitspielte. Beim Deutschen Filmpreis gab es dafür die Lola in Silber für den zweitbesten Film.
Wie selbstverständlich dreht Berger heute in den USA, Großbritannien und Italien
Danach wurde Berger für „Deutschland 83“ verpflichtet. Eine Serie, die der deutsche Produzent Jürgen Winger mit seiner amerikanischen Frau Anna Winger konzipiert hat. Und die deutsch-deutsche Geschichte anders, amerikanischer erzählte: zu einer Zeit, als Deutschland noch nicht auf den Serienboom aufgesprungen war. Berger schien da mit seinem deutsch-amerikanischem Regieverständnis genau der Richtige. Vielleicht kein Wunder, dass „Deutschland’ 83“ im Ausland mehr gefeiert wurde als in seiner Heimat. Und 2016 einen Emmy gewann.
Das Sprungbrett für eine internationale Karriere: Berger hat mit seiner Frau zwar noch den deutschen Kinofilm gemacht, „All My Loving“, der erneut seine Premiere 2019 auf der Berlinale feierte. Seither aber arbeitet er vorwiegend im Ausland. Führte Regie bei der US- Horrorserie „The Terror“ (2018), dem britischen Mehrteiler „Patrick Melrose“ (2018) mit Benedict Cumberbatch und „Your Honor“ (2020), das Remake einer israelischen Serie, aber eben nicht die deutsche Version mit Sebastian Koch, sondern die amerikanische mit Bryan Cranston.
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Für Netflix hat Berger sich dann an „Im Westen nichts Neues“ gewagt, die erste deutsche Verfilmung des deutschen Welterfolgs. Seltsam genug, gibt es doch schon zwei amerikanische Adaptionen: eine fürs Kino 1930, nur ein Jahr nach Erscheinen des Romans, und eine fürs Fernsehen 1979.
Und beide preisgekrönt: Der Kinofilm gewann 1930 zwei Oscars (für den besten Film und die Regie), die TV-Version einen Emmy und einen Golden Globe. In Amerika, wohin der Autor vor den Nazis hatte fliehen müssen, scheint Remarque populärer als in dessen Heimat.
Vor den Oscars wird Berger wohl nicht nach Berlin zurückkehren können
Dort brauchte es fast ein Jahrhundert, bis man den Stoff adaptierte. Berger wollte „zuallererst einen Film machen, der nicht didaktisch und nicht sentimental ist“,aber dabei auch „die deutsche Perspektive einnehmen, die es im modernen Kriegsfilm eigentlich überhaupt nicht mehr gibt“ – weil der deutsche Blick auf den Krieg „von Gram und Scham geprägt“ sei. Genau diese Perspektive aus Deutschland heraus wollte er mit der Welt teilen. Und die scheint das verstanden zu haben.