Obdach und Vergänglichkeit: Das Georg Kolbe Museum zeigt Arbeiten der japanisch-schweizerischen Künstlerin Leiko Ikemura.

Man wünscht sich fast, winzig zu sein, um sich die Kuppel in den geöffneten Röcken des weiblichem Mensch-Hase-Wesens von innen anschauen zu können. Behütet von der riesigen Figur würde man erleben, wie das Licht einem Sternenzelt gleich durch winzige Löcher fällt. Wie es sich im Laufe des Tages verändert. Ein eigenes, kleines Universum. Von außen betrachtet, wirkt die hoch aufragende Bronzeskulptur „Usagi Kannon“ mit ihren Hasenohren und dem menschlichen Gesicht majestätisch und mütterlich zugleich.

Die berühmten, ikonischen Usagi, japanisch für Hase, sind ein wiederkehrendes Motiv im Werk der international renommierten, japanisch-schweizerischen Künstlerin Leiko Ikemura. Nun präsentiert die seit 1990 in Berlin lebende Malerin und Bildhauerin diese hybriden Wesen im Georg Kolbe Museum. Die Einzelausstellung mit dem humorvollen Titel „Witty Witches“, den sie mit „Listige Hexen“ übersetzt, widmet sich vor allem ihrem vielfältigen skulpturalen Werk. Die über 30 Objekten werden ergänzt durch Gemälde und Zeichnungen seit den 1990erJahren.

Ein Sinnbild für Barmherzigkeit und Fürsorge

Eindrucksvoll inszeniert in Georg Kolbes ehemaligem Atelierraum mit den Fensterfronten zum Garten, stehen die Usagi zu Beginn im Zentrum der Aufmerksamkeit. In der japanischen Mythologie ist der Hase Sinnbild für Barmherzigkeit, Selbstlosigkeit und Fürsorge. Bei Leiko Ikemura verbinden sich Mensch und Tier zu einem schützenden Schrein. Einen starken Kontrast dazu bilden die düsteren, expressiven Gemälde „Kuro Ame II III“ aus dem Jahr 2022. Ihnen wohnt aber trotz dunkler Bedrohlichkeit ein lichter Funken Hoffnung inne.

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Kuratorin Elisabeth Heymer (links) und Künstlerin Leiko Ikemura.
Kuratorin Elisabeth Heymer (links) und Künstlerin Leiko Ikemura. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Etwas weiter finden sich die deutlich kleineren weißen Skulpturen „Cat Man“ und „Cat Woman“. Ebenfalls Hybride, die einerseits still und meditativ wirken, andererseits wie aus einem Manga entsprungen zu sein scheinen. Erinnern sie doch vage an die Kemonomimi, also die menschlichen Manga- und Anime-Figuren mit Tiermerkmalen.

Landschaften und Gesichter im Übergang

Der leicht popkulturelle Touch in Leiko Ikemuras Arbeiten wird auch durch die Farbgestaltung der Schau hervorgehoben. So lädt ein Raum in Prinzessinnen-Rosa zum Verweilen ein. Die geschwungene Bank greift dabei die Wellenbewegung einer Reihe von liegenden Mädchenfiguren in unterschiedlichen Transformationen auf. Den Schlusspunkt setzt die silbrige Skulptur „Memento Mori I“. Zwischen Werden und Vergehen verschmilzt sie langsam mit dem Boden. Darüber ist die Videoarbeit „Pink Hair“ zu sehen, in der Zeichnungen von Landschaften und Gesichtern langsam ineinander übergehen. Ebenfalls ein Transformationsprozess.

Die Glasskulpturen von Leiko Ikemura.
Die Glasskulpturen von Leiko Ikemura. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Neben Keramik und Bronze arbeitet Leiko Ikemura seit 2020 auch mit Glas. Vor der Pandemie war sie nach Murano eingeladen, um dort den Umgang mit dem bildhauerisch schwierigen Material zu erlernen. Doch dann konnte sie aufgrund der Einschränkungen nicht reisen und fing auf eigene Faust an, mit dem Medium zu arbeiten. Für die Künstlerin ein magischer Prozess, wie Alchemie. Herausgekommen sind opake Objekte mit matten Oberflächen. Acht der Glaskunstwerke strahlen auf weißen Säulen nachgerade von innen heraus. Dazu funkelt eine Serie „Blauer Bilder“ an der Wand. Ein Raum voller farbsatter Leuchtkraft.

Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee, Westend, Tel.: 304 21 44. Mi.-Mo. 11-18 Uhr. Bis 1. Mai.