Theater an der Parkaue

Eine Odyssee mit tragischem Ende: „Das Kind träumt“

| Lesedauer: 3 Minuten
Elena Philipp
Alle Emotionen ins Gesicht verlegt: Caroline Erdmann.

Alle Emotionen ins Gesicht verlegt: Caroline Erdmann.

Foto: Sinje Hasheider

Für Jugendliche: Alexander Riemenschneider inszeniert den hierzulande selten gespielten Hanoch Levin im Theater an der Parkaue.

Brutalität herrscht in Hanoch Levins Theatertext „Das Kind träumt“. Ein Kind muss mit ansehen, wie sein Vater erschossen wird. Mit der Mutter versucht es die Flucht per Schiff, doch wo sie anlegen, wird ihnen kein Asyl gewährt. Und schließlich, nach einer Odyssee ohne sicheren Hafen, stirbt es, allem Lebenswillen zum Trotz. Gleißend und steinhart ist die Prosa, in die Hanoch Levin 1991 diese überzeitliche Geschichte von Flucht und verwehrtem Exil gefasst hat. Poesie und Zynismus durchziehen sein existenziell erschreckendes Stück. In Israel ist der Autor ein Star, viel gespielt ist er weltweit. Nur hierzulande nicht. Verdienstvoll ist daher das Wagnis der Parkaue, Hanoch Levin für ein Publikum ab 16 Jahren zu inszenieren.

Das Kind wird ins Bühnengeschehen gerissen

Wunderschöne Bilder finden der regieführende Intendant Alexander Riemenschneider und sein Ensemble für die poetische Reise zum Tod. Auf der Bühne hängen schillernde Kugeln – Träume, die wie Seifenblasen zu zerplatzen drohen. Das Kind ist eine Puppe im Bunraku-Stil. Ulrike Langenbein führt sie an einem Griff im Kopf, andere bewegen Arme und Füße. Wie zu Anfang das Kind durch die Luft schwebt wie von einem sanften Hauch getragen, sich dann aber an den Regietisch klammert und hineingerissen werden muss ins Bühnengeschehen – das ist ergreifend.

Ins Schiff verwandelt sich ein Gerüstwagen, der sonst der Technik dazu dient, Scheinwerfer anzubringen. Die toten Kinder am Schluss, die auf Erlösung warten: ein Haufen direkt geführter Stoffpuppen. Aus einer rieselt das Leben als Sand, es bleibt ein Häuflein Tuch. Und der Messias mag nicht kommen: Mit einem Tusch öffnet sich der Vorhang am hinteren Ende der Bühne, mit einem musikalischen Wimmern schließt er sich wieder, ohne dass jemand durch das große Tor getreten wäre. Lasst alle Hoffnung fahren.

Ein Überdruck an Empfindungen

Trotz dieses Erfindungsreichtums wirkt die Inszenierung nicht ganz stimmig. Die Vielgestalt von Levins Text bleibt hinter Bildern und einem auf gestische Ausgestaltung fokussierten Schauspiel verborgen. Caroline Erdmann, die als Mutter anfangs selig ihr Kind auf dem Arm trägt, begleitet die Ermordung ihres Mannes mit einer alle Emotionen ins Gesicht verlegenden Mimik. Aber wenn sie losschreit, um einen Überdruck an Empfindungen kenntlich zu machen, denkt man, dass die Qualitäten des Textes mit einem leiseren Spiel besser bedient wären. Und auch das Zirzensische, das Alexander Riemenschneider im Untertitel „eine clowneske Tragödie“ treffend fasst, geht nicht ganz auf. Bei Andrej von Sallwitz wird einmal erkennbar, welche Virtuosität Levins Text voraussetzt: Da wirft er sich als Verzweifelter zu Boden, seinen anstehenden Tod markierend als einen lächerlichen Gegenpol zum rosigen Leben des Kindes. Ein Akrobat, ratlos in der Manege zappelnd: So zeichnet Levin das am Tod entlang schrammende Leben.