Mitten in der Nacht im hyggeligen Schlafanzug mit den karierten Hosen kann er es nicht lassen, abstruse Männerlogik gottgleich zu verkünden. Natürlich habe er Sex mit anderen Frauen gehabt, sie aber nie betrogen: Was sein Südteil, der mit den Zehen, unternehme, stimme leider nicht immer mit dem überein, was sein Nordteil, der mit dem Kopf und dem Herz, beschlossen habe. Weil er tatsächlich mit Testosteron-verkleisterter Hybris an den Unsinn glaubt, den er da erzählt, setzt er sogar noch eins drauf: Der Süden habe manche Schlacht verloren, aber den Krieg habe der Norden gewonnen.
Nicht nur ihr fällt vor lauter Fassungslosigkeit die Kinnlade runter, sondern auch jeder anderen Frau im Zuschauerraum des Kleinen Theaters. Dabei hat man ihn mit seinem ständigen Hang zum Mansplaining im Laufe der Berliner Erstaufführung von Audrey Schebats französischer Erfolgskomödie „Der Sittich“ aus dem Jahr 2017 schon längst im Geiste mit allen verfügbaren Schimpfwörtern belegt.
Er kann den Braten gar nicht erwarten
Und der Abend hat doch so harmlos angefangen. Regisseurin Karin Bares spielt zunächst mit allen verfügbaren Codes des Boulevardtheaters. Die Bühne wirkt mit vielen Grau- und Rosatönen sowie einem elegant gedeckten Tisch heimelig. Das namenlose Paar, das als Archetyp für zahlreiche Beziehungen steht, ist schick zurecht gemacht, die Rollen klassisch verteilt. Er hat Hunger und kann das Erscheinen der Gäste, ein befreundetes Ehepaar, daher kaum erwarten. Sie kümmert sich um den perfekten Braten. Doch sehr schnell nimmt alles eine andere Wendung.
Sein Kollege Daniel, mit dem er eine Anwaltskanzlei betreibt, ruft aufgeregt an, weil bei ihm und seiner Frau eingebrochen wurde. Seltsamerweise fehlen nur Schmuck, Kleidung und ein echter Degas von Catherine, die ebenfalls verschwunden ist. Anfangs spekulieren er und sie noch über den Einbruch. Sie malt das Szenario einer Einbrecherinnen-Bande beim Raub aus, ist aber schnell überzeugt, dass die oft betrogene Catherine ihren Mann verlassen hat.
Die Tragik der alltäglichen Beziehungsroutine
Er reagiert bissig bis ungehalten. Wirft ihr vor, ihm nichts darüber verraten zu haben. Und überhaupt, warum solle Catherine einen solventen Mann wie David verlassen. Sie nimmt es scheinbar naiv hin. Erklärt freundlich, dass er und David permanent respektlos über Catherine und ihre Vogelhandlung gelästert hätten. Der Auftakt eine Beziehungsduells, das langsam aber stetig an Fahrt aufnimmt. Mit feinem Wortwitz bleibt der Ton zumeist humorvoll. Im Dialog geben die beiden Schauspieler ihren Charakteren aber rasch mit viel Empathie genügend Tiefe, um eine Paar-Dynamik nachzuzeichnen, die so tragisch wie alltäglich ist.
Eva Mannschott in der Rolle der Ehefrau legt behutsam nach und nach die Wahrheit über ihn frei. Entlarvt ihn als feigen Lügner, der sie gedankenlos wie seine persönliche Bedienstete behandelt. Matthias Freihof gibt den Gatten vorzugsweise gönnerhaft. Selbst, wenn er eindeutig in der Defensive ist. Selten hat man auf der Bühne so ein Prachtexemplar von einem Mann gesehen, der seine Frau ständig besserwisserisch von oben herab belehrt, korrigiert, klein macht, befehligt. Er hält sich für kultiviert, gar intelligent, bestätigt aber dampfwalzend sämtliche Vorurteile, die Frauen gegen Machos haben.
Zwei pointiert und nuanciert aufspielende Schauspieler in der gnadenlose Dekonstruktion einer in vorgestrigen Geschlechterrollen erstarrten Ehe. Grandios.
Kleines Theater, Südwestkorso 64, Friedenau, Tel. 821 20 21, 15. 29.1. 18 Uhr, 27. 28.1. 20 Uhr