Opern-Comic

Was Wagners Siegfried mit Batman verbindet

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Volker Blech
Siegfried und Wotan im Comic „Der Ring des Nibelungen“.

Siegfried und Wotan im Comic „Der Ring des Nibelungen“.

Foto: Philip Craig Russell / Cross Cult

Philip Craig Russells „Ring des Nibelungen“-Comic, in dem das Gute blond und das Böse hässlich ist, erscheint jetzt auch auf Deutsch.

Der strahlende Siegfried in diesem Wagner-Comic ist so blond und so blauäugig wie es sonst nur Hollywood in einschlägigen Heldenverfilmungen hinbekommt. In Deutschland hält man sich seit 75 Jahren mit solchen Zuordnungen eher zurück, weil es im Fall Wagners ungute Erinnerungen weckt. Hitlers Wagner-Verehrung bleibt hierzulande immer im Hinterkopf. Das blauäugige Blond verlangt im deutschen Opernbetrieb eine Brechung. Anderswo scheint man davon unbelastet zu sein. Es ist rührend, wie sich der renommierte US-amerikanische Comiczeichner Philip Craig Russell an Richard Wagners vierteiligem Opernzyklus „Ring des Nibelungen“ abgearbeitet hat. Auf den Opernbühnen ist der „Ring“ mit 16 Stunden Aufführungsdauer ein Mammutwerk, und bei Russell mit 450 Seiten ebenfalls. Junge Leute will er mit seiner Bildergeschichte neugierig machen. Die Kulturvermittlung ist immer begrüßenswert.

Der raffiniert gebaute Comic soll eine Art Partitur darstellen

Sein Comic soll eine Art Partitur darstellen, auch wenn die Musik nicht zu hören ist. Die bildhafte Komposition ist bemerkenswert durchdacht. Sie zeigt aber auch die Grenzen. Denn Wagners „Ring“ lebt zuerst von seiner Überwältigungsmusik und den abgründigen Zwischentönen, wohingegen das von ihm verfasste Libretto reichlich krude bleibt. Generationen von Regisseuren haben versucht, dieses Welttheater mit Göttern und Menschen, Zwergen und Riesen und menschlichen Tabubrüchen ihrem Publikum sinnfällig zu vermitteln. Allein in der Opernstadt Berlin gibt es zwei moderne Deutungen zu diskutieren. Was das Publikum nach den Premieren auch reichlich kontrovers tat.

An der Staatsoper hat Regisseur Dmitri Tcherniakov die Handlung in ein Forschungslabor der Götter verlegt. In Anspielung auf die Weltesche heißt es Experimental Scientific Center for Human Evolution, kurz: E.S.C.H.E. An der Deutschen Oper lässt Stefan Herheim eine heillose Bilderflut aus einem Flügel in Bühnenmitte entspringen. Inmitten alter Kofferberge hat das ganze Weltendrama etwas mit Flüchtlingen, Deportationen und Auschwitz zu tun. Herheim bedient aber auch Fantasy und Comic. Heldentenor Siegfried wurde im Publikum liebevoll zum Obelix umgedeutet.

Der Zeichner griff auf den Ursprungsmythos in Bayreuth zurück

P. Craig Russell ging für seinen Comic 2001 den umgekehrten Weg und griff auf den Gründungsmythos und die fast vergessenen Ursprungsbilder zurück. Hierzulande empfindet man die damalige Ausstattung als kitschig. Wagners „Ring“ war 1876 im Bayreuther Festspielhaus uraufgeführt worden. Russell hat seine Fantasie am Original entzünden lassen. Mit dieser Arbeitsweise hatte er bereits Erfolge gefeiert. Nachdem er sich bei Marvel mit „Killraven“ und „Dr. Strange“ in den 1970er-Jahren einen Namen gemacht hatte, gehörte er mit seinen Opernadaptionen zu den Pionieren. In seiner Werkliste finden sich Mozarts „Die Zauberflöte“ und Strauss’ „Salomé“, aber auch „Pelléas & Mélisande“ und 2013 „From Arnold Schoenberg’s Pierrot Lunaire: Beheading“. Bekannt wurde Russell auch mit seiner Serie „Fairy Tales of Oscar Wilde“ sowie für seine Graphic-Novel-Adaptionen von Neil Gaimans „The Sandman“.

Im Vorwort zum „Ring“-Comic weist Michael Kennedy, ein britischer Musikkritiker und Autor des Oxford Dictionary of Music darauf hin, wie kompliziert die Modernisierungen des Stoffs sind. „Wotan kann ein frackbewehrter Industriemagnat sein, aber er muss trotzdem seinen Speer tragen, Siegmund und Sieglinde brauchen ihre Schwerter, und Fafner muss ein Drache sein, weil diese Elemente für die Handlung wesentlich sind. Man kann nicht auf sie verzichten.“ Aber da irrt er. Für Kennedy ist die Modernität in der angelsächsischen Fantasie anders herzustellen. „In der Welt von Superman und Batman erhalten Siegfried und Siegmund eine neue Dimension, ohne ihre heldenhafte Gestalt zu verlieren.“

Der Comic von P. Craig Russells beginnt irgendwie prüde und wiederum auch nicht. Die drei Rheintöchter sind verführerisch, eine Mischung aus Badenixen und Stripperinnen. „Schlampen“ nennt sie der enttäuschte Alberich. Der böse Nibelung ist angemessen hässlich dargestellt. Der Wagner-Text wurde von Patrick Mason neu gefasst und von Stephanie Pannen ins Deutsche zurück übersetzt. Die Sprache ist im Comic also einen Tick zeitgemäßer. Was angenehm ist.

Das Gute ist blond, das Böse hässlich und das Leben ein Abenteuer

Der Comic ist ein zuversichtliches Heldenepos mit deutlich mehr Licht als Schatten. Das Gute ist blond, das Böse hässlich und das Leben ein Abenteuer. Ohne Schwert läuft nichts. Im Finale der „Götterdämmerung“ überschlagen sich die Bilder, nach der Zerstörung keimt die Weltesche hervor. Die Sonne strahlt um den Regenbogen herum.

Dem Comic nachgefügt sind die einige Ideen, Arbeitsweisen und Vorbilder wie die „Star Wars“-Reihe. Auch Modelle werden benannt. Für die Riesen Fasolt und Fafner stieß er zufällig im Zeitungsladen auf einen „Berg“ von Mann. Als Modell für Brünnhilde diente ihm Kollegin Jill Thompson. Die amerikanische Comiczeichnerin war bereits Vorbild für die Königin der Nacht in Russells Adaption von der „Zauberflöte“.

Comic „Der Ring des Nibelungen“ von Philip Craig Russell, Cross Cult, 49,99 Euro. Erscheint am 16.1.