Bilder einer Ausstellung. Im Schweizer Historienfilm „Unruh“ prallen die wichtigsten Entwicklungen des 19. Jahrhunderts aufeinander.

In einer kleinen Stadt im Schweizer Jura der 1870er-Jahre trifft eine junge Fabrikarbeiterin auf einen russischen Adligen. An ihrer Werkbank stellt Josephine (lara Gostynski) die titelgebende Unruh ein, jenes Rädchen, dass in Kombination mit einer Springfeder Uhren zum Ticken bringt. Der junge Adlige Pyotr Kropotki (ALexei Evstratov) interessiert sich für Kartografie und Anarchismus. Zusammen sind sie das Traumpaar dieses Films – wenn auch in einem etwas andren Sinn.

Hier wird ein historisches Panorama ans andere gereiht

Der Schweizer Regisseur Cyril Schäublin interessiert sich in „Unruh“, seiner zweiten Regiearbeit nach „Dene wos guet geit“ von 2017, weniger für die romantischen Gefühle seiner Hauptfiguren als für das historische Drumherum: Wie in dieser Zeit in dieser Gegend die wichtigen Entwicklungen des späten 19. Jahrhunderts zusammenkommen und auseinandergehen, Fabrikarbeit und Anarchismus, neue Technologien und Kommunikationsformen, Obrigkeitsdenken und revolutionäre Organisation.

Die historische Figur des Pyotr Kropotkin, dessen „Memoiren eines Revolutionärs“ bis in die 1970er-Jahre die Bücherregale idealistischer junger Träumer schmückte, dient Schäublin nur als eine Art Kuriosa, mit dessen Beispiel sich von diversen Themen erzählen lässt. Es geht ihm nicht darum, was Kropotkin tatsächlich erlebt haben könnte. Statt eine Geschichte zu inszenieren, reiht Schäublin ein historisches Panorama ans andere.

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In der Uhrenfabrik gehen Frauen mit Lupen an den Augen den feinmechanischen Tätigkeiten nach, während ihnen aus der Zeitung vorgelesen wird. In einer Straßenszene kontrollieren Gendarmen willkürlich Passanten – ein hilflos wirkender Versuch, gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Im Telegrafenamt will Kropotkin ein Telegramm an die streikenden Arbeiter in Chicago absenden und erfährt dabei, dass an diesem kleinen Ort vier verschiedene Zeiten gelten: Fabrikzeit, Ortszeit, Telegraphen- und Eisenbahnzeit.

Ausgesprochen schön anzusehen

Die Szenen sind größtenteils mit Laiendarstellern besetzt und bringen weniger die Handlung voran, als dass sie wie Bilder einer Ausstellung ihre jeweiligen Themen illustrieren. Die Dialoge verlaufen entsprechend beiläufig und zufällig – was man über die einzelnen Figuren, die Epoche und Umstände erfährt, wird nie konkret, sondern gleichsam als Gerücht in der Schwebe gehalten.

Ausgesprochen schön anzusehen, kann diese ästhetisierende Form der Geschichtsannäherung in all ihrer Vagheit auch ziemlich frustrieren.