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"Riesending" - Wie die Stars in einer echten Höhle drehten

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Am Ende ihrer Kräfte: Höhlenforscherin Birgit Eberharter (Verena Altenberger) vor ihrem schwerverletzten Kollegen (Roland Silbernagl).

Am Ende ihrer Kräfte: Höhlenforscherin Birgit Eberharter (Verena Altenberger) vor ihrem schwerverletzten Kollegen (Roland Silbernagl).

Foto: ARD

"Riesending" ist ein nervenzerreißender Zweiteiler im TV um eine spektakuläre Rettungskation.

Den Bergsteiger zieht es in die Höhe, auf die Gipfel mit ihrem fast göttlichen Blick auf die Welt da unten. Den Höhlenforscher dagegen zieht es in die Tiefe, ins ewige Dunkel. Aber auch das ist eine Passion und ewige Grenzerfahrung, werden hier doch die letzten noch unbekannten Flecken der Welt erkundet. Unterschiedlicher könnten die Erlebnisse und Fertigkeiten kaum sein. Und doch müssen plötzlich die einen für die anderen einspringen. Als in der Riesending-Höhle im Berchtesgadener Unterberg ein Höhlenforscher verunglückt und schwer verletzt wird, ist die Bergwacht für die Bergung zuständig. Auch wenn sie da keinerlei Erfahrung hat.

Ein Drama auf zwei Ebenen und ein Grenzgang zwischen Fakt und Fiktion

Der Fall ist bekannt. Ging er doch im Juni 2014 durch alle Medien. Auch international war der Einsatz am Riesending ein Riesen-Ding. Weil die Bergung sich als extrem schwierig erwies. Weil die Schachthöhle eine der längsten deutschen Höhlensysteme ist und Johann Westhauser in über 1000 Metern Tiefe und 18 Kilometer vom Eingang entfernt verunglückte. Und auch, weil Retter aus den umliegenden Ländern schnell ihre Hilfe anboten und bald über 700 Menschen vor Ort waren.

Nun gibt es mit „Riesending – Jede Stunde zählt“ den Film zur spektakulären Rettungsaktion. Und auch wenn man ja weiß, wie es ausging, bietet das Drama Nervenkitzel pur. Denn da geht es nicht nur um einen Wettlauf mit der Zeit, weil der Verunglückte (Roland Silbernagl) schnellstmöglich ins Krankenhaus muss, aber kaum transportierfähig ist. Es geht vor allem auch, und da sträuben sich dem Zuschauer zunehmend die Haare, um ein zermürbendes Gerangel der Kompetenzen.

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Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank hat das als Gratwanderung zwischen Fakten und Fiktion inszeniert. Vor allem aber als Drama auf zwei Ebenen: die da oben und die da unten. Eigentlich ist die Bergwacht zuständig, einen solchen Einsatz gab es aber noch nie. Außerdem wird der Einsatzleiter Bertram Erhardt (Maximilian Brückner) durch einen Landespolitiker (Michael Mittermaier) ausgebremst, der meint, der Schwerverletzte sei sowieso nicht zu retten und die Bergung nur ein Risiko für die anderen.

Die eintreffenden Rettungsmannschaften dürfen deshalb nicht in die Höhle - und die Situation wird immer angespannter. Während Erhardt sich mit seiner Kollegin (Anna Brüggemann), dem Politiker, den Medien und den Helfern streitet, arbeitet sich eine Truppe um die Höhlenkletterin Birgit Eberharter (Verena Altenberger) und die Ärztin Raffaela Pardeller (Sabine Timoteo) langsam in das unwegsame Labyrinth vor. Und droht mal sich selber, mal den Kontakt nach außen und mal auch den Verstand zu verlieren.

Eine echte Herausforderung - für das Drehteam wie für den Zuschauer

Der Zweiteiler ist eine ziemliche Herausforderung für den Zuschauer. Denn es geht hier wirklich in die Finsternis. Und quälend lange sieht man – fast gar nichts. Nur Dunkelheit. Und hie und da ein paar schwache Lichtpunkte. Dabei sind die Retter durch die Einheitskluft, die sie tragen, und den Dreck und Schlamm, durch den sie sich kämpfen, auch kaum noch voneinander zu unterscheiden.

Eine ziemliche Herausforderung, auch für das Drehteam. Denn schnell war klar, dass der Film nicht in irgendeinem Studio entstehen durfte. Sondern nur authentisch wäre, wenn in einer wirklichen Höhle gedreht wurde. Man fand schließlich eine geeignete Höhlenregion in Kroatien, wo sich denn auch der Regisseur und sein Kameramann Thomas Dirnhofer in die Tiefe zwängen mussten.

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Das Ergebnis ist Klaustrophobie pur. Und ein buchstäblicher Grenzgang. Die ehemalige „Polizeiruf 110“-Kommissarin Verena Altenberger, die in der Gegend des Unglücksorts aufwuchs, bezeichnet die Dreharbeiten denn auch als die ungewöhnlichsten ihres Lebens und stöhnt noch im Nachhinein: „An manchen Tagen hatten wir das Gefühl, die Wände würden pulsieren.“

Um die Spannung zu erhöhen, wird immer wieder eine Zeitleiste eingeblendet, die zeigt, wie viele Stunden, wie viele Tage bereits verstrichen sind. Freydank versagt sich auch jegliche touristischen Bilder, etwa oben auf dem Berg oder auch drinnen, in der Höhle. Nur ganz selten gibt es mal einen Panoramablick in die Weiten.

Zu viel Dunkel? Einen Themenabend verkneift sich die ARD

Um die Dramatik des Geschehens zu unterstreichen, knattern zudem immer wieder Helikopter in die Dialoge hinein. Oder die Kraxler hecheln ihren Text mehr, als dass sie ihn sprechen. Was freilich dazu führt, dass man schlicht nicht alles versteht. Wenig zu sehen und dann noch wenig zu verstehen: Das ist auch in anderem Sinne eine Grenzerfahrung. Ob sich so die Spannung über zwei Teile, auch wenn sie hintereinander ausgestrahlt werden, halten kann oder nicht auch die Quoten in die Tiefe gehen, wird sich zeigen.

Einen Themenabend versagt sich die ARD aber schon mal. Die Begleitdokumentation „Tief im Fels – Überleben am Untersberg“ wurde jedenfalls schon am Ersten Weihnachtstag und nur im Bayrischen Fernsehen ausgestrahlt, deutschlandweit ist sie nur in der ARD-Mediathek abrufbar. Am Ende doch zu viel Dunkel?