Mit diesen Worten hat Albert Camus die Schrecken eines ganzen Jahrhunderts vorweggenommen: „Ich werde die Widersprechenden und die Widersprüche ausrotten“, lässt er seinen Caligula sagen. Der römische Kaiser hat gerade seine Schwester und Geliebte Drusilla verloren und kann im Leben keinen Sinn mehr erkennen: „Die Menschen sterben“, erkennt er, „und sie sind nicht glücklich.“
Was folgt daraus? Für Caligula ein krankes Spiel: Einerseits fordert er von seinem Gefolgsmann Helicon, ihm den Mond zu holen. Andererseits beginnt er, der sich durch die Absurdität und Endlichkeit des Daseins zu absoluter Freiheit ermächtigt sieht, die Mitglieder seines Hofstaats abzumurksen, einen nach dem anderen. Kein Wunder, dass man sich schon bald gegen ihn verschwört, um ihn von seinem blutigen Treiben abzubringen.
Der Stein des Sisyphos
Elias Arens ist die Rolle des wahnsinnigen Gewaltherrschers auf den Leib geschrieben, er bringt sie mit großer Klarheit und lässigem Zynismus zum Leuchten. Regisseurin Lilja Rupprecht verlegt die Handlung in einen postapokalyptischen Sandkasten, in dem schwarze Gummiflocken den Boden bedecken. Caligulas sich langsam dezimierender Hofstaat ist mal in roten Strumpfhosen, mal in gerüschtem Latex unterwegs, wie überhaupt der gesamte Abend eine große Freude am Crossdressing verrät.
Seine größte Stärke liegt in Moritz Grewenigs Einsatz von Live-Videos: Mal ist das Geschehen zeitgleich aus der Vogelperspektive an der Bühnenrückwand zu sehen, dann wieder erscheint Arens’ Gesicht auf einer riesigen, mit Stoff bezogenen Kugel, die gleichermaßen Mond wie der Stein ist, den Sisyphos den Berg hinaufrollen muss.
Da entstehen zu Phlipp Rohmers Live-Musik sehr intensive Momente, in denen sich der Irrsinn der angemaßten Freiheit überträgt. Zauberhaft auch die Idee, die Rolle des Helicon auf vier Spielerinnen und Spieler vom inklusiven RambaZamba-Theater zu übertragen. Dass sich der Abend im letzten Drittel dann doch merklich dehnt, ist wohl der Schwäche der Vorlage geschuldet: Die Botschaft ist klar, das Ende absehbar.