Ausstellung

Maria Lassnig malte die Gefühle des Körpers

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Ulrike Borowczyk
Maria Lassnigs „Subway“ von 1977.

Maria Lassnigs „Subway“ von 1977.

Foto: Maria Lassnig Stiftung, VG Bild-Kunst Bonn 2022

Im Gutshaus Steglitz läuft die Schau „Maria Lassnig – Werke aus der Sammlung Klewan“.

Roh und rot sieht der Körper aus. Förmlich nach außen gestülpt und ausgehöhlt, mit den Organen aufgereiht an einer Schur zwischen den Händen. Beim Betrachten fühlt man den Schmerz regelrecht, der in dem Bild eingefangen wurde. „Selbstporträt mit Ordenskette“ heißt Maria Lassnigs Gemälde. Eines der von ihr selbst so bezeichneten „Monster-Bilder“. Auf dem „Sesselselbstporträt I“ hingegen verschmilzt sie wohlig mit dem Sitzmöbel zu einer Einheit. Beide Bilder stammen aus den 1960er-Jahren. Also aus jenem Jahrzehnt, das für Maria Lassnig (1919-2014) so entscheidend für ihre künstlerische Entwicklung war. Malte sie doch in dieser Dekade ihre ersten Körperbewusstseinsbilder.

War die Österreicherin 1970 noch ein Geheimtipp in ihrer heimischen Kunstszene, zählt sie heute längst weltweit neben Frida Kahlo oder Louise Bourgeois zu den bedeutendsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie war 1982 und 1997 zweimalige Documenta-Teilnehmerin, 1980 Vertreterin Österreichs auf der Biennale von Venedig und die erste Professorin für Malerei im deutschsprachigen Raum.

Die Sammlung Klewan umfasst Zeichnungen und Grafiken

Nach über einem Vierteljahrhundert widmet ihr das Gutshaus Steglitz nun mit „Maria Lassnig – Werke aus der Sammlung Klewan“ bei freiem Eintritt die erste Einzelausstellung in Berlin seit 1997. Damit ist Kuratorin Brigitte Hausmann ein absoluter Coup gelungen. Die Auswahl der Exponate aus dem weitaus umfangreicheren Bestand an Lassnig-Arbeiten der Sammlung Klewan umfasst neben Werken aus den Sechzigern auch Zeichnungen, Aquarelle und Grafiken aus den 1970er- bis 1980er-Jahren.

Wie ein roter Faden ziehen sich die „Körpergefühlsbilder“ durch die Schau. Maria Lassnig nicht den Körper als Gegenstand gemalt oder gezeichnet, sondern Empfindungen. Einzigartig in der Kunstgeschichte. Das Thema hat sie schon in den 1940er-Jahren nach ihrem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien beschäftigt. Sie begann später, ihr Körpererfahrungen in Bilder umzusetzen. Allesamt Selbstporträts, die ihre Innenwelt nach außen transportieren. Verzerrt, psychologisch aufgeladenen und oft grotesk. Eine kompromisslose Offenlegung ihres Körpers und ihrer Befindlichkeiten.

Die Malerin nutzte eine einzigartige Farbpalette

Lassnig malte aber nicht nur die großen Gefühle wie Trauer, Schmerz, Freude oder Glück, sondern auch eher beiläufige Empfindungen wie Druck-, Spannungs- und Ausdehnungsgefühle. Und sie nutzte dafür eine einzigartige Farbpalette. Intensiv und bunt. Ihre Wirklichkeitsfarben, die sie Gedanken-, Schmerz-, Quetsch- und Geruchsfarben nannte.

In den 1980er-Jahren erhielt die Künstlerin endlich die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die verdient. Grund für den späten Durchbruch war die auf den ersten Blick scheinbar schwere Zugänglichkeit der Arbeiten. Helmut Klewan war einer der ersten, der Maria Lassnigs Kunst sammelte. Darüber hinaus war er mit ihr bis zu ihrem Tod befreundet. Er weiß, dass man sie gern zur Galionsfigur feministischer Kunst stilisiert hätte. Und das sich Maria Lassnig dagegen verwehrt hat mit den Worten: „Es gibt keine Männer- und keine Frauenkunst, sondern nur gute und schlechte Kunst.“

Gutshaus Steglitz, Schlossstr. 48, Steglitz, bis 26.2., Schließtage: jeder 1. Dienstag im Monat und 24.-26. 31.12., 1.1.23, tägl. 10-18 Uhr