Die sechs Cello-Suiten von Bach gehören zu den beliebtesten klassischen Werken für ein Soloinstrument, zugleich aber auch zu den schwierigsten. Sie fordern dem Spieler ein Höchstmaß an Virtuosität ab. Er muss nicht nur schwindelerregend schnelle Läufe bewältigen, sondern mit Doppelgriffen und Akkorden auch noch mehrstimmige Strukturen zum Klingen bringen. Da Bach wenige Spielanweisungen hinsichtlich Dynamik, Artikulation und Phrasierung gibt, eröffnet sich dem Interpreten ein weiter Raum zur eigenen Gestaltung.
Man kann die Suiten knorrig und bedeutungsschwer interpretieren wie der Katalane Pablo Casals, der die Bach-Stücke aus der Versenkung hob und mit ihnen Ende des 19. Jahrhunderts berühmt wurde, oder aristokratisch und brillant wie der Franzose Pierre Fournier. Man kann sich in seinem Spiel an Erkenntnissen der historisch informierten Aufführungspraxis orientieren wie der Niederländer Anner Bylsma oder am Celloklang berauschen wie Mischa Maisky.
Der japanische Solist gewann den Genfer Musikwettbewerb
Oder man macht es wie Michiaki Ueno am Sonntag in der Philharmonie und erzählt auf seinem einfach Geschichten. Der 27-jährige Musiker gewann letztes Jahr den ersten Preis beim Internationalen Genfer Musikwettbewerb, der bereits Künstlern wie Martha Argerich und Friedrich Gulda als Sprungbrett für eine Weltkarriere diente, und entschied sich noch im selben Jahr, Bachs Suiten beim französischen Edellabel La Dolce Volta aufzunehmen. Ein durchaus mutiges Unterfangen.
Das Ergebnis kann sich hören lassen. Der Japaner agiert auf der CD wie auch im Konzert sehr natürlich, wählt eher gemäßigte Tempi. So klingen die schnellen Sätze niemals hektisch, und die langsamen haben einen natürlichen Fluss. Manche Cellisten neigen zu einer narzisstischen Selbstdarstellung, versuchen mit ihrem schönen Ton und viel Vibrato das Publikum zu bezirzen. Von diesem Typus ist Ueno weit entfernt, ihm geht es nur um die Musik, auch seine phänomenale Virtuosität, die er etwa in der schwierigen sechsten Suite zeigt, dient nur der Musik. Sein Ton ist eher schlank, das Vibrato dezent und die Intonation makellos. Dafür gab es zu Recht Standing Ovations.