Berlin. An die preußische Forschungsreise 1842 nach Ägypten erinnert eine Sonderausstellung im Neuen Museum.

Den Nil kann man nicht verfehlen im Neuen Museum. Überall finden sich wüstensandgelbe Hinweisschilder auf die Ausstellung „Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842-45“. Das alte Ägypten zieht immer Neugierige an, und das ABC der Hieroglyphen hat heute jeder Badeurlauber am Roten Meer und Nilkreuzfahrer parat. Die Sonderausstellung auf der Museumsinsel führt allerdings in die Zeit vorm beginnenden Massentourismus zurück, als man in Ägypten noch darüber nachdachte, die Pyramiden abzureißen, weil man die Steinquader anderswo besser gebrauchen könnte. Die Geschichte kam anders, und die preußischen Abenteurer hatten offenbar ihren Anteil daran. Ihre Expedition war auf jeden Fall die Initialzündung für eine neue Wissenschaft: die deutsche Ägyptologie.

Im Jahr 1842 brachen die Berliner Forscher an den Nil auf, um die antiken Denkmäler der ägyptischen Kultur zu dokumentieren und Objekte für das Neue Museum zu sammeln. Zehn Männer um den Berliner Ägyptologen und Sprachwissenschaftler Richard Lepsius bildeten das Kernteam, darunter Architekten, Zeichner, ein Gipsformer und sogar ein Geistlicher. Die Sonderausstellung dokumentiert jetzt ihre abenteuerliche Reise. Am Beginn dieser liebevoll-verspielten und informativ aufbereiteten Schau finden sich die Route, die politischen Umstände, die Beteiligten und einiges mehr dargestellt.

Eine 6550 Kilometer lange Reise mit Nilschiffen, auf Eseln und Dromedaren

In Alexandria, der Hafenstadt am Mittelmeer, begann die 6550 Kilometer lange Reise im Auftrag des preußischen Königs. Mit Nilschiffen, auf Eseln und Dromedaren führte die Expedition bis nach Süden in die Gegend von Sennar am Blauen Nil. Wichtigste Stationen waren Gisa und Saqqara mit den Pyramidenfriedhöfen des Alten Reichs, die Tempellandschaft Thebens und Nubien, die alte Kulturlandschaft südlich von Assuan bis Khartum.

Modell der Cheops-Pyramide in der Ausstellung „Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842-45“
Modell der Cheops-Pyramide in der Ausstellung „Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842-45“ © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung | Sandra Steiß

Die Ausbeute der dreijährigen Expedition war enorm: 1315 Zeichnungen, 7408 Papierabdrücke (Abklatsche) und 75 Gipsabdrücke entstanden, 31 Skizzen- und Notizbücher wurden gefüllt. Einige der lichtempfindlichen Exemplare liegen jetzt in einer abgedunkelten Vitrine. Die Seiten sind ökonomisch mit kleinster Handschrift bekritzelt. Als Dankgeschenk für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. genehmigte der ägyptische Gouverneur Mehmet Ali die Ausfuhr von 1900 Objekten – damals trotz der Antikengesetze ein bemerkenswertes Privileg. Der Gouverneur wollte Ägypten nach europäischen Vorbild modernisieren und brauchte Verbündete.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Materialien erfolgte von 1849 bis 1859 in zwölf großen Foliantenbänden als „Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien“. Es sollte gleichsam die öffentliche Wahrnehmung bis heute beeinflussen. Für die Schau wurden jetzt einige der in den Berliner Museen verstreuten und teilweise wieder gefundenen Objekte zusammengeführt.

Dokumentiert sind Magen-Darm-Infekte und ein Sturz vom Esel

Die Ausstellung wendet sich gleichermaßen an geduldige Ägypten-Kenner wie an hibbelige Schulklassen. Man stößt auf Fachwissen ebenso wie auf verschiedene Informationen, die man nicht braucht, aber die das Abenteuer plastischer werden lassen. An einer Station kann sich der Besucher seinen persönlichen Abklatsch, also das mechanische Durchreiben von Inschriften, herstellen. Immer wieder finden sich auf den Schautafeln kleine grafische Hinweise, die die damaligen Mühen dokumentieren.

Pharao Amenophis I. und seine Mutter Ahmes-Nefertari im Grab des Inherchau, eine Aquarellzeichnung.
Pharao Amenophis I. und seine Mutter Ahmes-Nefertari im Grab des Inherchau, eine Aquarellzeichnung. © Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Sollten sich zu Beginn in Alexandria die Krankheiten noch in Grenzen halten, sind für Saqqara bereits Magen-Darm-Infekt, Fieber, Geschwür, Kopfschmerzen, entzündete Augen, Sturz vom Esel und ein ausgerenkter Ellenbogen dokumentiert. Weil man sich ansonsten sicher fühlte, verzichteten die Forscher im Zeltlager auf Wächter und wurden prompt in der Nacht vom 10. zum 11. April 1843 überfallen. Schüsse fielen, man hatte Todesangst.

Auf einer großen Tafel werden die Beteiligten und auch ihre einheimischen Helfer vor Ort benannt und auf Fotos gezeigt. Darunter finden sich zwei Sklaven. Auf der Reise sahen und besuchten die europäischen Forscher mehrfach Sklavenmärkte. Es hat sie nicht weiter gestört, im Gegenteil. Das Ägypten von Mehmet Ali Pascha war ein Umschlagplatz des internationalen Sklavenhandels aus Innerafrika.

Expeditionsleiter Lepsius erhielt seinen Sklaven Gabre Mariam von der nubischen Prinzessin Nasr aus Soriba geschenkt, während der Theologe Heinrich Abeken seinen Diener Abdallah vermutlich selbst auf dem Sklavenmarkt kaufte.

Ein Aquarell des teilnehmenden Schweizer Landschaftsmalers Johann Jakob Frey zeigt das Expeditionsteam auf der Spitze der Cheops-Pyramide, wo sie am 15. Oktober 1842 den Geburtstag des preußischen Königs feierten. Eine selbst genähte preußische Flagge wurde gehisst. Es war der erste Besuch in Gisa, noch trug man europäische Kleidung. Das sollte sich bald ändern, wie Bilder der Ausstellung zeigen.

Neues Museum, Museumsinsel, Mitte. Di/Mi/Fr-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr.