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Herausragender „Tatort“: „Murot und das Gesetz des Karma“

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Felix Murot (Ulrich Tukur) sieht sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert.

Felix Murot (Ulrich Tukur) sieht sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert.

Foto: Bettina Müller / dpa

Der Kommissar fällt einer Trickdiebin zum Opfer: Ulrich Tukur ermittelt als Felix Murot diesmal auch in eigener Sache.

Eine attraktive, junge Frau, die spätabends allein an einer Hotelbar auf ihrem Handy Scrabble spielt und sich sofort in ein Gespräch verwickeln lässt: Eigentlich hätte dem erfahrenen Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) daran doch irgendetwas verdächtig erscheinen müssen. Aber es war ein langer Tag und irgendwann muss auch mal Feierabend sein. Murot kommt also mit Eva (Anna Unterberger) ins Plaudern und bückt sich auch gern nach der Gabel, die sie wie versehentlich fallen lässt – was sie dazu nutzt, ihm schnell ein paar K.o.-Tropfen in den Bordeaux zu schütten.

Der arme Felix Murot. Was ist ihm in den zwölf Jahren, die er nun schon für das Wiesbadener Landeskriminalamt ermittelt, nicht schon alles zugestoßen? Sein Name, man wird sich vielleicht erinnern, ist ein Anagramm des Wortes Tumor, und ein solcher wurde bereits in der ersten Folge bei ihm im Gehirn entdeckt. Er nannte ihn Lilly, sprach mit ihm, litt zuweilen an Halluzinationen, bevor er ihn operativ entfernen ließ. Murot war in den Fall mit den meisten Toten der „Tatort“-Geschichte verwickelt, mehr als 50 Menschen kamen darin um. Er fand sich in einer teuflischen Zeitschleife wieder wie einst Bill Murray als Phil Connors in „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Er traf seinen eigenen Doppelgänger und drehte im „Tatort“ einen „Tatort“.

Tolle Nebenfiguren und zielsichere Komik

Man könnte die Reihe noch lange fortsetzen. Murot ermittelt in der Regel auf der Grundlage sehr experimentierfreudiger Drehbücher, die im schönen Kontrast zu seinem leicht antiquierten Habitus stehen. Lars Hubrich und Matthias X. Oberg, die diesmal das Buch entwickelt haben, wollen mit dieser Folge das Genre nicht neu erfinden oder parodieren. Sie erzählen vielmehr eine schlanke, spannende Kriminalgeschichte, die von herausragenden Darstellern und einer sehr zielsicheren Komik profitiert.

Murot ist diesmal also einer Trickdiebin auf den Leim gegangen, die ihn, von den Tropfen schon stark ins Wanken gebracht, auf sein Hotelzimmer begleitet und dort sein Geld und seine Papiere mitgehen lässt. Er kann nicht wissen, was sich noch so alles im selben Haus abspielt: Die Diebin hat einen weiteren Mann, einen hochrangigen IT-Experten, um einen Laptop erleichtert, den er für viel Geld verkaufen wollte – nun wird dieser Mann in seinem Zimmer ermordet aufgefunden. Als Murot aufwacht und gegen den Kater erst einmal eine Flasche Wasser herunterstürzen muss, steht die Polizei schon vor der Tür. Der Kommissar muss sich erst einmal verstecken.

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Seinen Titel und sein Motiv bezieht dieser „Tatort“ von der buddhistischen Philosophie. Nachdem Murot am Tatort fast zusammengebrochen ist, fährt ihn seine Assistentin Magda Wächter (Barbara Philipp) zu ihrem Arzt (Mohammad-Ali Behboudi): „Das ist ein Inder, der behandelt ganzheitlich“. Es ist eine fast metaphysische Begegnung, vielleicht vergleichbar mit Christoph Waltz’ großartigem Kurzauftritt als Arzt in Leander Haußmanns „Herr Lehmann“ (2003).

Vom Arzt erfährt Murot, dass schlechtes Karma immer dann entsteht, wenn man in das Leben eines anderen eingreift. Die Frage ist, wann Murot das einmal getan hat. Diebin Eva jedenfalls wird sich später seine Dokumente mitsamt der alten Lichtbildaufnahmen Murots durchsehen und ins Stutzen kommen.

Vom Bauchredner bis zum Schnösel an der Rezeption

Dass Ulrich Tukur und Barbara Philipp ein perfekt harmonierendes Gespann sind, wusste man schon vorher – es macht auch diesmal große Freude, das Driften des Kommissars und die diskrete Mütterlichkeit seiner Kollegin zu verfolgen. Was diesen „Tatort“ aber sehr deutlich vom Durchschnitt der Reihe abhebt, sind die ausnahmslos großartig besetzten Nebenfiguren, in denen sich eine sympathische Freude am Absonderlichen austobt.

Da gibt es den merkwürdigen Bauchredner Bernd (Sascha Nathan), dessen Puppe bei Gelegenheit auch gern den Verkauf von Schusswaffen anbietet. Da gibt es Xavier (Thomas Schmauser), einen so geplagten wie servilen Mitarbeiter des brutalen Schöller (Philipp Hochmair), der großes Interesse am besagten Laptop hat und Xavier zur Strafe auch gern die Ohren lang zieht. Da ist ein kurioses Bodybuilder-Pärchen, dem der vielleicht lustigste Auftritt in der Folge vorbehalten ist. Da sind ein schnöseliger Rezeptionist, ein krapfenmampfender Polizeikollege, ein knorrig-kleiner Pathologe – und mitten in diesem herrlichen Zoo der melancholische Murot. „Das Gesetz des Karma“ ist sein bester Fall seit langer Zeit.

„Murot und das Gesetz des Karma“. ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.