Wenn Michael Krüger über Bäume spricht, dann möchte man die Zeit anhalten und die ganze Welt zum Zuhören einladen. Er steht vor dem Fenster seines Arbeitszimmers in München und sagt, wenn man alle Wurzeln des davorstehenden Baumes zu einer Strecke zusammenlege, dann würde diese bis nach Danzig reichen. Er spricht von den harten Mühen des Gewächses, das Wasser durch seine Kapillaren bis in die Blätter hinauf zu transportieren. Er erzählt von der Duldsamkeit der Bäume, die es ertragen, dass unendlich viele Tiere auf ihnen herumkrabbeln.
Die schöne Welt hinter den Wörtern
Michael Krüger, geboren 1943, aufgewachsen in Berlin-Nikolassee: Viele kennen ihn als langjährigen Chef des Carl Hanser Verlags und empfinden Dankbarkeit angesichts der Fülle schöner und bewahrenswerter Bücher, die auf ihn zurückgehen. Andere schätzen ihn seit Jahren als Romancier und Lyriker, der mit seiner zarten, klaren Sprache ganze Welten aufzublättern vermag.
„Wie ein Gedicht entsteht?“, fragt Krüger. „Wenn man es wüsste, würden keine Gedichte mehr entstehen. Das ist für mich ganz klar.“
Filmemacher Frank Wierke hat Krüger jahrelang begleitet, über die Zäsur seiner Leukämie-Diagnose hinweg. Ihm ist ein ungeheuer ruhiger, einnehmender Film gelungen, in dem nur der Dichter selbst spricht. Über das, was vor dem Tod noch zu erledigen sei und darüber, dass er kaum Angst empfinde, vielmehr eine leise Traurigkeit. Wir sehen ihn im Frühjahr an der Isar spazieren gehen, er streichelt die Knospen der Bäume. „Erstaunlich“, sagt er.
Ganz so wie er.
Dokumentarfilm D 2022 91 min, von Frank Wierke.