Deutschlands erfolgreichster Jazzmusiker spielt am Sonnabend bei den „Kolonnaden Konzerten“ auf dem Walter-Benjamin-Platz.

Es war ein Lichtblick, als im November 2020, mitten im trüben Winter-Lockdown des ersten Pandemiejahres, Till Brönners aktuelles Album „On Vacation“ erschien. Schon das Artwork verheißt glückselige Sommer mit prickelndem Limonadenduft – und der Titel ist Programm. Dafür hat Deutschlands erfolgreichster Jazzmusiker die Jazz-Legende Bob James an Bord geholt. Kennengelernt haben sich die beiden 2014 auf einem Jazzfestival in der Nähe von Madrid. „Wir haben dort in einer Allstar-Besetzung zusammengespielt und uns war gleich klar, da geht was“, erinnert sich Till Brönner. Also hat er den zweifachen Grammy-Gewinner, Fusion-Musiker und Pianisten 2017 zum Sylter Festival „Kampen Jazz“ eingeladen, das er seit sechs Jahren kuratiert und dessen Gastgeber er ist.

Wenn zwei grandiose Musiker zusammenhocken, ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es einen kreativen Urknall gibt. Die Idee eines gemeinsamen Albums war daher schnell geboren. Aufgenommen wurde es in der Provence. „Ich habe Bob ein bisschen an der Nase rumgeführt, als ich ihm vorgeschlagen habe, dass wir uns in der Mitte treffen. In Südfrankreich“, gibt Brönner lachend zu. Offenbar hatte der US-Musiker daran nichts auszusetzen. Weder am schönen Studio noch an der malerischen Landschaft. Alle waren happy und herausgekommen ist ein fabelhaftes Album. Darauf beweist Till Brönner einmal mehr, dass er nicht nur einer der weltbesten Jazztrompeter, sondern dass auch ein fabelhafter Komponist und Arrangeur ist. Tracks wie „Lavender Fields“ und „Scent of Childhood“ haben das Zeug zum Klassiker. Songs für die Ewigkeit.

„Ich wollte der Region nicht den Rücken kehren“

Nun endlich stellt der 51-Jährige das Album dem Berliner Publikum vor. Und zwar am Sonnabend als Höhepunkt und Abschluss der dreitägigen „Kolonnaden Konzerten“ auf dem Walter-Benjamin-Platz unter freiem Himmel. Unweit des Kurfürstendamms gelegen, ein Ort mit besonderer Atmosphäre, der für den Jazzer geradezu nach Eventlocation schreit. Mit einer Akustik, wie gemacht für Musik. Daher hat Till Brönner schon länger mit dem Platz geliebäugelt.

Die Anfahrt dorthin ist für ihn allerdings etwas länger geworden seit dem Frühjahr. Da ist er bekanntlich mit seiner Familie nach Potsdam gezogen. 30 Jahre Berlin waren für ihn genug. Ein Wechsel musste her. „Ich wollte der Region aber nicht den Rücken kehren und ganz aufs Land ziehen. Das habe ich dann doch nicht über das Herz gebracht“, gesteht er. In Potsdam genießt er nun Luft und Wasser fern der stickigen Metropole. Aber nach wie vor ist er fast täglich in Berlin.

In der brandenburgischen Landeshauptstadt hatte er unlängst einen Auftritt beim großen Benefiz-Konzert für die Ukraine zusammen mit der Kammerakademie Potsdam. Angefragt wurde er dafür vom Oberbürgermeister Mike Schubert. Was zeigt, dass er als Künstler sofort eingebunden wurde in das gesellschaftliche Leben seiner neuen Heimatstadt. Aber auch in Berlins schillernder Kulturszene fühlt er sich weiterhin wohl. Hier hat er 2016 das „House of Jazz“ initiiert und arbeitet seitdem intensiv an der Realisierung. Die Jazz-Szene hierzulande müsse sich nicht verstecken, findet er. „Es gibt viele gute Leute, die international bestens vernetzt sind. Jazz ist eine ständig im Wandel begriffene Kunstform, die immer auch die Gegenwart widerspiegelt, in Deutschland aber noch von alten Ideologien geprägt ist. Viele denken dabei nur an die Förderung von jungen Musikern, statt die Besten der Besten wie im Fußball mal endlich zur WM zu schicken.“

Till Brönner stand mit Berühmtheiten auf der Bühne

Till Brönner selbst hat schon als Jungspund mit Berühmtheiten auf der Bühne gestanden, als er mit 19 Mitglied der Rias Big Band wurde. Unter anderem mit Hildegard Knef, Dave Brubeck und Harry Belafonte. „Das waren die Stars, die meine Eltern gut fanden. In meiner Generation kannte die keiner“, sagt er. Als junger Jazzer wusste er natürlich einiges über sie. Heute unterrichtet er den Nachwuchs als Professor für Jazztrompete an der Dresdener Musikhochschule „Carl Maria von Weber“. Und in der Pandemie hat er seine Popularität genutzt, um klare Ansagen wegen des Defacto-Berufsverbots zu machen, mit dem Künstler belegt waren. In einer vielgeteilten Wortmeldung hat er seinem Gefühl Ausdruck verliehen, dass es in der Politik offenbar nicht angekommen sei, was es mit künstlerischen Berufen auf sich habe. „Wir spülen große Steuereinnahmen in die Kasse, aber es wurde keine Anstrengung unternommen, uns strukturell zu helfen. Im Gegenteil, wir wurden als Superspreader wahrgenommen“, moniert er.

Auch der Reflex, Kultur digital stattfinden zu lassen und Kunst auf dem Sofa zu erleben, war für ihn viel zu kurz gegriffen. „Da wurde nicht darüber nachgedacht, dass statt Künstlern jetzt eher die Geräte- und Softwarehersteller von den Hilfen profitieren. Dazu die Streamingdienste. Bei den Künstlern kommt davon nur ein Bruchteil an. Es muss zukünftig unbedingt dezidierter formuliert werden, dass Kreativität nicht einfach wie Wasser aus dem Hahn kommt“, ist er überzeugt. „Für Künstler war es schon immer schwer, den Menschen nahezubringen, dass das, was man macht, auch ein Broterwerb ist. Man kann ja schlecht über seine Steuererklärung sprechen. Dann ist der ganze Nimbus weg,“ fügt er hinzu und lacht über den letzten Satz. Ein sympathischer Star mit Haltung, Selbstironie und voller genialer Musikalität. Wie aus dem Bilderbuch.