Kammermusikfestival

"Erstklassige Musik" beim Kammermusikfestival

| Lesedauer: 5 Minuten
Volker Blech
Pianist Jonathan Aner leitet das erste Kammermusikfestival.

Pianist Jonathan Aner leitet das erste Kammermusikfestival.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Mozart und Komponistinnen ist das erste Kammermusikfestival der Eisler-Hochschule gewidmet. Ein Gespräch mit Professor Jonathan Aner.

Beim ersten Kammermusikfestival nehmen sechzehn Professoren und Professorinnen der Eisler-Musikhochschule teil. Das ist ebenso bemerkenswert wie der Hinweis, dass die Frauenbeauftragte im Vorfeld in die Festivalplanung eingebunden wurde. Um der jahrhundertelange Diskriminierung von Komponistinnen entgegen zu wirken, hat man eine beachtliche Auswahl an Werken von acht Komponistinnen aufs Programm gesetzt. Es reicht von Anna Amalia von Sachsen-Weimar über Sofia Gubaidulina bis hin zur koreanischen Eisler-Studentin Saemi Jeong, die vom Festival einen Kompositionsauftrag erhielt.

Klavierprofessor Jonathan Aner, Leiter des Festivals, hatte die Frauenbeauftragte gefragt, ob man einige historische Kritiken abdrucken könne? Denn früher war selbst im männlichen Lob die Diskriminierung enthalten. Als akademische Einrichtung hat man sich für die historische Wahrheit entschieden.

„Ich kann versprechen, alles, was beim Festival gespielt wird, ist erstklassige Musik“, sagt der israelische Pianist Jonathan Aner, der an der Eisler die Klavierkammermusik unterrichtet und Gründungsmitglied des Oberon Trios ist. „Die Musik von Komponistinnen wird viel zu selten aufgeführt“, sagt er und räumt mit einem Klischee auf: „Man kann wirklich nicht aus einer Melodie heraushören, ob sie von einem Mann oder einer Frau stammt.“

Vortrag über Mozart und seine ältere Schwester Nannerl

Das neue Festival heißt Mozart, aber anstelle des Buchstaben O steht das Genderzeichen für Frauen. Das habe damit zu tun, sagt Aner, dass es ein Festival für Mozart und für Komponistinnen ist. Er weiß, dass es eine seltsame Mischung ist. Die Musikwissenschaftlerin Eva Rieger wird am Sonnabend in ihrem Vortrag „Unsichtbare Barrieren: Mozarts Schwester“ über Wolfgang Amadeus und seine ältere, ebenfalls musikalisch hochbegabte Schwester Nannerl und über Komponistinnen im Allgemeinen sprechen.

Aber die Kombination habe vielmehr damit zu tun, erklärt Aner, dass man an der Hochschule bemerkt hat, dass nicht nur Werke von Komponistinnen zu selten gespielt werden, sondern merkwürdigerweise auch Werke von Mozart. „Eine Erklärung dafür ist, dass Mozarts Kammermusik in ihrer Transparenz und Feinheiten eine Herausforderung ist“, sagt Aner. „Musiker haben oft Hemmungen, sich damit auseinanderzusetzen und auf die Bühne zu wagen.“

Musikstudenten besuchen in Berlin auch intimere Konzertorte

Jonathan Aner wurde 1978 in Israel geboren, seine Ausbildung begann in Tel Aviv. Es folgte ein Klavierstudium bei Arie Vardi in Hannover, bei Konrad Elser in Lübeck sowie am New England Conservatory in Boston. Als Pianist hat er sich Preise erspielt und mit großen Orchestern weltweit gastiert. 2010 wurde er Professor für Klavierkammermusik an der Eisler. Mit seiner Frau, der Klarinettistin Shirley Brill, und den Kindern leben sie in Berlin. Der Pianist kennt sich gut aus in der Stadt.

Normalerweise sucht das Publikum nach Kammermusik in den entsprechenden Sälen in der Philharmonie, im Konzerthaus oder im Pierre-Boulez-Saal. Der Kammermusik--Professor verweist auch auf andere Orte. „In den Piano Salon Christophori an der Uferstraße gehen Studenten gerne. Dort finden aufregende Veranstaltungen von Solo bis Kammermusik statt. Die Eintrittspreise sind erschwinglicher und die Atmosphäre lockerer.“ Darüber hinaus verweist Aner auf seinen Klavierkollegen Thomas Hoppe, „der kürzlich den Piano Nobile Kammersaal in Karlshorst aufgemacht hat. Dort spielen mehrere Studierende von uns.“ Die Kammermusik sucht traditionell eben doch nach intimeren Orten.

Das neue Eisler-Festival im Neuen Marstall soll zugleich auf die Eröffnung des neuen „Zentrums für Kammermusik“ aufmerksam machen. „Die Bedeutung der Kammermusik ist schon vor langem an der Hochschule erkannt worden“, sagt Aner, „aber in den vergangenen Jahren wurden aktive Schritte unternommen.“ Zweieinhalb Professorenstellen, die sowohl Streicher und Bläser umfassen, gehören zum neuen Zentrum.

Kammermusik schult das Miteinander, die Kommunikation und Körpersprache

„Egal, ob man im Berufsleben Kammermusiker sein will, unterrichtet oder im Orchester spielt, es ist eine gute Voraussetzung, wenn man während des Studiums viel Kammermusik gespielt hat“, sagt Aner. „Es geht darum, dass man gemeinsam an der Intonation, an der Kommunikation untereinander oder an der Körpersprache arbeitet. Das ist später deutlich wichtiger, als wenn man im Studium besonders viel Orchestererfahrung gesammelt hat.“

Die Musikhochschule „Hanns Eisler“ bringt in ihrem Selbstverständnis sowieso vor allem Solisten hervor. „Heutzutage gibt es kaum noch Musiker, die nur als Solisten auftreten“, sagt Aner. „Alle Pianisten, die früher Kammermusik als minderwertige Begleitung gesehen haben, nehmen es heute als Teil ihrer Karriere wahr.“ Künftig werden im Hauptfach Kammermusik wohl auch exklusive Ensembles aus der Eisler hervorgehen. Es seien vorrangig die klassischen Besetzungen, sagt Aner: Klaviertrio, Streichquartett und Bläserquintette. „Wir haben aber auch ein Trio mit Klarinette, Cello und Akkordeon.“ Kammermusik sei in erster Linie eine Leidenschaft, sagt Aner.

Jede gute Musikhochschule präsentiert sich regelmäßig in Konzerten. Das ist nichts Besonderes. „Aber wenn innerhalb von drei Tagen sechs Konzerte stattfinden, dann bekommt das Repertoire ein besonderes Gewicht“, sagt der Festivalchef. „Es erhöht die Festlichkeit, weil verschiedene Kammerensembles zusammen kommen, einander zuhören, miteinander feiern. Für uns als Hochschule – gerade nach Corona – ist es besonders wichtig, wieder zusammen zu kommen.“

Neuer Marstall, Schloßplatz 7, Mitte. Kammermusikfestival bis 3.7.