Elisabeth Sobotka wurde bereits seit längerem als Favoritin für die Intendanz der Staatsoper Unter den Linden gehandelt. Es gibt einiges, was für die erfolgreiche Intendantin der Bregenzer Festspiele spricht. Und dazu gehört nicht zuerst, was viele denken werden, dass man in Berlin ja unbedingt mehr Intendantinnen in Amt und Würden bringen will. Es scheint in dem Fall wichtiger zu sein, dass sich die 56-Jährige an der Staatsoper bestens auskennt. Bereits im Herbst 2002 war sie von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim und dem ebenso genialischen wie unberechenbaren Regieintendanten Peter Mussbach als Operndirektorin an die Staatsoper verpflichtet worden. Sie stieg 2007 wieder aus, Peter Mussbach folgte bald darauf in heftigen Streitigkeiten. Elisabeth Sobotka kennt das Pulverfass Staatsoper, zumal sie Stiftungsrätin der Stiftung Oper in Berlin ist. Sie weiß also, worauf sie sich einlässt. Genau genommen ist sie eine interne Lösung.
Kultureinrichtungen fordern bessere Umgangsformen
Merkwürdig ist, dass es ein Online-Magazin für klassische Musik war, das am Dienstag zuerst veröffentlichte, dass Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) die Personalie am Donnerstag per Pressemitteilung verkünden werde. Die Österreicherin Elisabeth Sobotka soll demnach 2024 den amtierenden Staatsopern-Intendanten Matthias Schulz ablösen. Das „van“-Magazin hatte bislang auch eine Obsession offenbart, nämlich Daniel Barenboim in seiner Funktion als Generalmusikdirektor zu demontieren. Tatsächlich sind inzwischen Generationen nachgewachsen, die andere Umgangsformen an Kultureinrichtungen einfordern. Barenboim ist und bleibt ein Stardirigent alter Schule. Elisabeth Sobotka gilt hausintern als seine Wunschkandidatin.
Daniel Bartsch, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, wollte sich am Mittwoch nicht zu „diesen Spekulationen“ äußern. Der orakelhafte Hinweis auf eine digitale Fakenews offenbart ein seltsames Öffentlichkeitsverständnis, zumal die Indiskretion wohl aus der eigenen Behörde stammen muss. In besseren kulturpolitischen Zeiten wurde einfach dementiert, bejaht oder beharrlich geschwiegen. Letzteres wurde als Zustimmung gewertet. In diesem Fall soll das behördliche Verfahren noch nicht gänzlich abgeschlossen sein, heißt es. Wie auch immer: Kein neuer Intendant – zeitweilig wurde Rolando Villazon als Kandidat gehandelt –, und keine neue Intendantin hat solch einen holprigen Einstieg verdient.
Elisabeth Sobotka wurde 1965 in Wien geboren
Die 1965 in Wien geborene Elisabeth Sobotka ist in der künstlerischen und organisatorischen Zweigleisigkeit ausgebildet. Einerseits hatte sie in Wien ihre Abschlussarbeit über den Komponisten und Dirigenten Franco Faccio verfasst, andererseits absolvierte sie einen Lehrgang für Kulturelles Management. 1992 kam sie an die Oper Leipzig, wo sie zwei Jahre lang als künstlerische Betriebsleiterin arbeitete. Dann ging sie zurück nach Wien, um den Posten als Chefdisponentin und Betriebsdirektorin an der Staatsoper unter Leitung von Ioan Holender zu übernehmen. Nach acht Jahren wechselte sie an die Staatsoper nach Berlin. Als eine stets freundliche, umgängliche und eher unauffällig bleibende Gestalterin ist sie in Erinnerung geblieben.
Im Januar 2007 war sie als neue geschäftsführende Intendantin der Grazer Oper vorgestellt worden, sie übernahm 2009 das Drei-Sparten-Haus. Die Sparte Musiktheater blieb ihr Steckenpferd. Mit Wagners „Meistersingern von Nürnberg“ in Alexander Schulins Regie hatte sie einen guten Einstand. Stefan Herheim inszenierte Dvořáks „Rusalka“ und Peter Konwitschny „Die Csárdásfürstin“. Man ließ sie ungern weiterziehen.
2015 wechselte sie ins Festivalgeschäft. In ihrer ersten Saison als Intendantin der Bregenzer Festspiele setzte Elisabeth Sobotka Puccinis „Turandot“ für das „Spiel auf dem See“ auf den Spielplan. Auf der berühmten Seebühne am Bregenzer Bodenseeufer erreichte die Produktion von Marco Arturo Marelli sogleich eine Auslastung von 98 Prozent. Und sie wagte auch selten gespielte Opern wie Franco Faccios „Hamlet“. Bereits im Dezember 2019 war ihr Intendantenvertrag in Bregenz bis 2024 verlängert worden. Es passt für Berlin.
Die sechste Intendant:in der Ära von Daniel Barenboim
Der Vertrag des Generalmusikdirektors Daniel Barenboim war im Juni 2019 vorzeitig bis 2027 verlängert worden. Der Pianist und Dirigent feiert am 15. November seinen 80. Geburtstag. Derzeit erholt sich der Künstler zuhause, nachdem er wegen Kreislaufproblemen ein Konzert seiner Staatskapelle zu den Oster-Festtagen der Staatsoper vorzeitig abbrechen musste. Der Weltstar braucht mehr denn je einen Staatsopern-Chef an seiner Seite, dem er in Krisen vertrauen kann. Rückblickend kann man sagen, die bisherigen Intendantenwechsel waren eigentlich nie eine pure Machtfrage, was stets behauptet wurde, sondern offenbarten eine fast private Vertrauenskrise.
Klaus Lederer hatte den Vertrag von Matthias Schulz zwar verlängert, jedoch nicht um fünf, sondern lediglich um zwei Jahre bis 2024. Schulz hat den Wink verstanden. Am Opernhaus Zürich wird er jetzt 2025 Nachfolger von Andreas Homoki. Wenn die Personalie von Elisabeth Sobotka am heutigen Donnerstag wirklich verkündet wird, dann tritt sie 2024 nach Georg Quander, Peter Mussbach, Ronald Adler (kommissarisch), Jürgen Flimm und Matthias Schulz als sechste Intendant:in der Ära Barenboim an.