Vor 20 Jahren eröffnete Johann König seine erste Galerie für zeitgenössische Kunst in Berlin – damals noch am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte. Inzwischen stellt der Galerist in den ehemaligen Kirchenräumen von St. Agnes in der Kreuzberger Alexandrinenstraße aus, wo wir ihn auch zum Gespräch trafen.
Herr König, wie hat Ihre Galerie die Pandemie überstanden?
Johann König Gut. Wir haben keine Förderung in Anspruch genommen. Wir haben mit unseren 65 Mitarbeitern auch kaum Kurzarbeit gemacht. Da sind wir aber kein Sonderfall. Viele Galerien haben sich in der Pandemie auf ihr Kerngeschäft, auf die Ausstellungen konzentriert. Ich glaube, dass die Umsätze in Gänze heruntergegangen sind, aber die Gewinne hoch. Die Inflation trägt auch dazu bei, dass sich viele Menschen vermehrt Sachwerte anschaffen wollen.
Wie haben Sie die Zeit genutzt?
Wir haben unsere Aktivitäten im digitalen Bereich und dadurch in der Online-Vermittlung sehr stark ausgebaut. Wir haben da sehr viel investiert, auch in unsere neue Webseite. Sie soll Kunst auf einem ähnlich anspruchsvollen Niveau erfahrbar machen wie die Galerie – und auch als Transaktionsplattform funktionieren. Das ist relativ kompliziert, weil unser Kunstverkauf anders abläuft als ein traditionelles Geschäft im E-Commerce.
Was heißt das genau?
Es geht darum, verschiedene Sammler zu unterscheiden. Wir haben einige Kunstwerke, die so gefragt sind, dass wir sie nicht einfach an den Erstbesten verkaufen können. Wir haben so wenige davon, dass wir genau darauf achten müssen, wo wir sie positionieren, damit sie nachhaltig zur Karriere der Künstlerinnen und Künstler beitragen.
Sie nehmen aktiv Einfluss darauf, wer die Kunstwerke erwirbt.
Genau. Und das ist natürlich, sobald man es digital abbilden will, sehr kompliziert. Wenn Sie jetzt zum Beispiel etwas von Katharina Grosse kaufen wollen würden, dann würde ein Prozess beginnen, in dem wir Sie als Käufer besser kennenlernen. Wir wollen Ihre Motive verstehen. Wenn wir den Eindruck haben, dass Sie das Kunstwerk nur kaufen wollen, um es sofort wieder mit Gewinn weiterzuverkaufen, dann würden wir es lieber nicht an Sie verkaufen wollen. Denn wir haben den Auftrag von den Künstlerinnen und Künstlern, uns nachhaltig um deren Karriere zu kümmern. Und das bedeutet eben auch, Werke in Sammlungen zu platzieren, die einen Mehrwert bringen und durch diesen Kontext zum Beispiel die öffentliche Wahrnehmung schärfen.
Sie haben auch die Plattform misa.art gegründet. Was ist das genau?
Misa.art ist von der König Galerie unabhängig. Es ist eine Kunstmarktplattform, die es Künstlerinnen und Künstlern, aber auch Sammlerinnen und Sammlern erlaubt, Kunstwerke zu verkaufen. Wir glauben, das ist die Zukunft des Kunstmarktes. Es ist eine kuratierte Plattform, weil wir sicherstellen wollen, dass es relevante Positionen sind und die Sammlerinnen und Sammler sich orientieren können. Aktuell sind auf misa.art über einige Hundert Künstlerinnen und Künstler vertreten.
Was wird bei Ihnen auf dem Gallery Weekend zu sehen sein?
Sehr spannend: Zhanna Kadyrova, eine ukrainische Bildhauerin, deren Ausstellung wir schon lange vor Kriegsbeginn geplant hatten, die ihr Konzept aber nun der aktuellen Situation angepasst hat. Oben im Kirchenschiff von St. Agnes zeigen wir Xenia Hausner, eine figurative Malerin aus Österreich. Und unten im Kreuzgang werden unterschiedliche Einzelpositionen der Galerie zu sehen sein – neue Arbeiten von fast allen vertretenen Künstlerinnen und Künstlern.
Die König Galerie vertritt ungefähr 40 Künstlerinnen und Künstler. Nach welchen Kriterien werden sie ausgewählt?
Wichtig ist, dass es sehr starke, individuelle Positionen sind, die ein Alleinstellungsmerkmal haben und einen Beitrag leisten zu dem, was schon gegeben ist.
Haben Neulinge eine Chance bei Ihnen?
Wenn Sie eine ungewöhnliche Position vertreten, auf jeden Fall. Wir haben auch schon Künstlerinnen und Künstler direkt von der Akademie ausgestellt und ins Programm genommen. Helen Marten zum Beispiel, die dann später den Turner Prize gewonnen hat. Oder Andreas Schmitten. Das ist nicht ausgeschlossen.
Ein großes Thema für den Kunstmarkt sind die NFTs, die „non-fungible tokens“, die den Handel mit digitalen Unikaten ermöglichen. Welche Bedeutung haben sie für Sie?
Man kann es ganz gut anhand einer Arbeit von Alicja Kwade erklären, die wir zum Gallery Weekend anbieten werden. Es hat einen Bezug zu einer Ausstellung, die viele in der Berlinischen Galerie gesehen haben. Alicja Kwade hat ihre DNA auslesen lassen, sie ausgedruckt und in der Berlinischen Galerie an die Wand gehängt, 259.025 A4-Seiten. Das Besondere an der DNA ist ja, dass sie einzigartig ist, also jede dieser Seiten ein Unikat ist – die Unterschiede machen aber nur ein paar Prozent aus. Diese Unterschiede sind durch Fettdruck hervorgehoben. Sie hat diese 259.025 Seiten in Sätze von je 25 Seiten unterteilt. Wenn man nun ein NFT erwirbt, erwirbt man 25 Seiten. Mit dem NFT ist ein Link zum pdf mit 25 Seiten verbunden. Wenn ich das pdf weiterverkaufe, verkaufe ich das NFT natürlich auch weiter. Das NFT weist aus, dass es diese
25 Seiten nur einmal gibt.
Das Kunstwerk ist also nicht an die Materialität der Seiten gebunden, auf denen ich das dann ausdrucke.
Sie können es ausdrucken und wegwerfen und haben damit nicht das Kunstwerk ruiniert. Dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut, welche Möglichkeiten in den NFTs liegen: Nämlich, digitale Inhalte zu konservieren, aber auch zu transferieren. Vorher mussten wir diese 25 Seiten verkaufen. Da muss man dann auf den Schutz vor Licht achten und man darf sie nicht in die Sonne hängen. Zudem muss man schauen, dass man das Zertifikat separat aufbewahrt, und wenn eine Seite verloren geht, ist die ganze Arbeit kaputt. All diese Probleme gibt es mit NFTs nicht mehr.
Sie haben zuletzt spektakuläre Digitalkunst von Refik Anadol präsentiert, lebendige Gemälde gewissermaßen.
Digitalkunst muss wie jede andere Kunstform vor allem Sinn ergeben. Refik Anadol nimmt aus dem Internet Millionen von Bildern und verarbeitet diese Datenpunkte zu dieser Form von digitaler Malerei. Das ist etwas, was einen echten Beitrag leistet zur bestehenden Ästhetik und zur bestehenden Diskussion über Bilder und Malerei. Das macht es für uns interessant.
Der Raumbedarf ist für viele Galerien das schwierigste Problem. Auch für Sie?
Wir haben Glück gehabt, dass wir das mit der Kirche rechtzeitig hinbekommen haben. Wir suchen gerade nach mehr Räumen. Wir bemühen uns ja bekanntlich um den Mäusebunker und wollen dort Ateliers und künstlerische Produktionsstätten realisieren. Wir versuchen weiterhin, den Senat davon zu überzeugen. Mit Michael Müller waren wir da schon recht weit gekommen, jetzt haben wir uns an Frau Giffey gewendet und warten ab.
Sie sind seit 20 Jahren in Berlin. Wie hat sich der Kunstmarkt in dieser Zeit entwickelt?
Die Situation ist viel diverser, als sie oft wahrgenommen wird. In der Öffentlichkeit werden Betrügereien und Höchstpreise diskutiert, aber die Kunstwelt umfasst ja ein riesiges Spektrum. Berlin hat sich in einigen Bereichen zum Guten, in anderen zum Schlechten verändert. Das hält sich alles in allem die Waage. Klar ist das ein Problem mit dem Raumbedarf, aber dafür ist einfach auch mehr Geld in der Stadt, und die Leute kaufen Kunst. Was auf der einen Seite zu einem Nachteil führt, ist auf der anderen Seite ein Vorteil. Und wenn man das mit anderen Metropolen vergleicht wie etwa London, steht Berlin vergleichsweise gut da.