Die meisten Menschen sterben zwischen 2 und 5 Uhr morgens. Bestsellerautor Sebastian Fitzek erzählt von jener Nacht, in der er zu seiner sterbenden Mutter ins Krankenhaus fuhr. Er ist davon überzeugt, dass ihr Tod um 3,29 Uhr eintrat. Deutschlands erfolgreichster Autor von Psychothrillern hat jetzt seinen ersten Podcast bei der Plattform Podimo herausgebracht und sprach am Montag im Zeiss-Großplanetarium mit seinem Fanpublikum über den Tod. Darum soll es künftig in seiner wöchentlich anwachsenden Podcast-Reihe mit dem Titel „3Uhr29 – Fitzeks Todesstunde“ gehen.
Podcast und Radio seien ein sehr ähnliches Medium, sagte Fitzek, ein promovierter Jurist, der seine Karriere als Chefredakteur und Programmdirektor bei Radiostationen begonnen hatte. Allerdings habe sich das Radio in den letzten Jahren in eine andere Richtung entwickelt, sagte der 50-Jährige: mit mehr Musik und weniger Wortbeiträgen. „Genau da stößt der Podcast hinein. Es ist schön, mal länger mit jemandem zu sprechen als nur die berühmten 1:30.“
In seinen Interviews will der Berliner Autor mit anderen, vor allem auch Spezialisten, über den Tod sprechen. Fitzek nennt als Beispiel einen Forensiker oder eine Tatortreinigerin, die vorher Model war. „Ich mache beruflich die Auseinandersetzung mit dem Tod, weil ich ja Psychothriller schreibe und dabei der eine oder die andere ums Leben kommt. Oder mit dem Tod konfrontiert ist und an ihm über sich hinauswächst.“ Er betont, kein Interesse an Serienmördern zu haben, sondern an den Opfern.
Mit einem Gesprächspartner geht es um Nahtoderfahrungen. „Alles was ich darüber gehört habe, war, dass man auf ein Licht zugeht, man sieht vielleicht die Menschen, die einem wichtig waren, am Wegesrand vorbeiziehen und alles ist ganz schön“, sagte Fitzek. „Vielleicht schwebt man auch über der Decke und schaut den Ärzten beim Versuch der Reanimation zu. Ich habe mit einem gesprochen und der sagt, nee, leider ist das alles ganz anders.“ Schrecklicher.
Der Tod höchstpersönlich interviewt den Thrillerautor
In der ersten Folge wird Sebastian Fitzek vom Tod interviewt. Im Podcast hat der Tod eine männliche Stimme. Warum eigentlich? Es bleibt ungeklärt. Fitzek möchte andere Dinge preisgeben. „Die meistgestellte Frage auf Lesungen ist immer: Sebastian, hast Du nicht selbst einen an der Klatsche, wenn Du so etwas schreibst? Die andere Frage ist, ob ich irgendwie abgestumpft wäre, selbst also als ein Psychopath agiere? Nein, wenn ich keinerlei Empathie empfinden würde, könnte ich darüber nicht schreiben.“ Wenn er keine Angst vorm Tod hätte, sagt Fitzek, dann würde er das Thema nicht anfassen. Als Zwölfjähriger hatte er beobachtet, wie ein relativ junger Mann in einen Pool sprang und offenbar einen Herzstillstand erlitt. „Ich habe zum ersten Mal erlebt, wie jemand aus dem Leben gerissen wurde.“ Es folgt seltsamerweise ein Plädoyer für Haustiere. „Ich glaube, dass es etwas Gutes hat, Haustiere zu haben, weil es Kinder schon in jungen Jahren mit dem Tod konfrontiert.“
Sebastian Fitzek ist ein Meister der Unterhaltung und ein wunderbarer Plauderer. Er zitiert einen Spruch des amerikanischen Humoristen Jack Handey: „Ich möchte friedlich im Schlaf sterben wie mein Großvater und nicht vor Angst schreien wie seine Passagiere.“ Das Zitat steht am Anfang der Filmsatire „Don’t Look Up“ und ist auf Netflix ein Renner. Fitzek beschreibt, wie sein eigener Vater friedlich im Schlaf starb. Einen Tag vorher war der 87-Jährige von seinem Arzt angerufen worden, der ihn beglückwünschte, dass er den Blasenkrebs besiegt habe. Sein Vater sei Kettenraucher gewesen, erzählt Fitzek. Er glaubt, dass „Helmut Schmidt röchelnd die Fenster aufgerissen hätte“. Sein Vater habe sich auf die Reise gemacht, um mit seiner Mutter wieder zusammen zu sein.
Der Tod fragt nach, ob Fitzek denn glaube, dass er sie getroffen habe? „Die Vorstellung ist schön und gruselig zugleich“, sagt der Autor. „Die Vorstellung, dass Mama und Papa da oben irgendwo an der Bar sitzen, er mit dem Pils und sie mit der Pina Colada in der Hand, und auf mich herabschauen. Ich hoffe, dass die nicht alles sehen.“ Todesangst vergleicht Fitzek mit Prüfungsangst. Dann zitiert er Woody Allan: „Ich habe keine Angst vorm Sterben, ich will nur nicht dabei sein, wenn es passiert.“ Er reflektiert über Beerdigungen und den Grundsatz der Energieerhaltung im Universum. Offenbar bevorzugt Fitzek den Sarg. Aber: „Ich bin eine Frostbeule, Schilddrüsenunterfunktion.“
Der Podcast ist ein liebevolles Plädoyer an das Leben
Mag sein, dass der Autor hypochondrische Bedenken hat, aber von düster-melancholischen Todesbildern scheint er innerlich weit entfernt zu sein. Sein Podcast ist ein liebevolles Plädoyer für das Leben. Aber manchmal kommt Wut ins Spiel. Die erste Leiche, die er in der Charité gesehen hat, war ein Baby. Die Augen waren ihm entnommen worden, um an der Netzhaut festzustellen, ob es zu Tode geschüttelt wurde. Der Vater hatte es später im Gerichtssaal zugegeben. Er war nachts ins Kinderzimmer gegangen, der Sohn lag reglos im Bett. Er wurde panisch, wollte ihn wachrütteln. Der Vater wurde freigesprochen. War es die richtige Entscheidung? „Das war ein Fall“, sagt Fitzek, „der mich nachdrücklich in vielerlei Hinsicht beeindruckt hat.“