Jüdisches Museum

Moses Mendelssohn - Aufklärer und seltsamer Held

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Volker Blech
Moses-Mendelssohn Ausstellung im Jüdischen Museum.

Moses-Mendelssohn Ausstellung im Jüdischen Museum.

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Die Zerrissenheit des Berliner Philosophen Moses Mendelssohn zeigt die neue Ausstellung im Jüdischen Museum.

Berlin. Der Philosoph Moses Mendelssohn (1729 bis 1786) hat es weder sich noch den Zeitgenossen leicht gemacht mit seinen aufklärerischen Ideen. Und auch die kulturhistorische Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin, die bis zum 11. September gezeigt wird, offenbart wieder einmal, dass es eine gewisse Mühe braucht, sich der Berliner Identifikationsfigur über das Biografische und Anekdotische hinaus zu nähern. In den Ausstellungsvitrinen liegen viele Bücher, es gibt viele Abbildungen. Es findet sich viel Interessantes im Kleingedruckten und unter den Originalexponaten wie etwa Mendelssohns Brille. Die Themenräume im ersten Stockwerk sind farblich variiert, das Ganze erinnert an ein liebevoll eingerichtetes, übergroßes Poesiealbum. „Wir träumten von nichts als Aufklärung“ ist die Schau überschrieben.

Manchmal ist es spannender, eine Ausstellung vom Ende her zu durchlaufen, weil man dort oft Fingerzeige in die Geschichte danach bekommt. Diesmal lässt das Kuratorenteam Inka Bertz und Thomas Lackmann Zitate über Moses Mendelssohn am Ausgang auf eine graue Wand einblenden, die die ganze zeitgeschichtliche Zerrissenheit der Figur bis ins Heute ahnen lassen. „Dieser Urtyp eines Seichtbeutels!“ urteilte Karl Marx, der selber einer jüdischen Familie entstammte und sich assimilierte, 1870 in London. Rabbi Hillel Lichtenstein schrieb 1864 in Lemberg: „Der Ketzer, der Zerrütter Israels, der Name des Frevlers soll verwesen.“

Ein Philosoph mit Lust am spielerischen Gefecht

Walter Grundmann, protestantischer Theologe, NSDAP-Mitglied und späterer Stasi-Spitzel, geiferte 1943 in Jena: „Der Philosophenmantel, den sich Mendelssohn umhängt, dient der Tarnung des jüdischen Propagandisten.“ Hannah Arendt sah das 1951 in New York natürlich anders: „Historisch gesehen ist die jüdische Assimilation bezeichnend für die jüdische Intelligenz. Der erste assimilierte Jude ist Moses Mendelssohn, und er ist auch der erste, der charakteristische Züge eines Intellektuellen trägt.“

Kurator Thomas Lackmann, selbst ein Mendelssohn-Nachfahre, steuerte bei der Ausstellungseröffnung am Mittwoch noch Zitate über den Migranten, Aufsteiger und seltsamen Helden bei. Er sprach von Moses Mendelssohns „Lust am spielerischen Gefecht“. Wobei Dialog schön sei, so Lackmann, „macht aber viel Arbeit.“

Die Ausstellung pflegt den schönen Dialog, kein Besucher soll sich irgendwie verletzt fühlen. Der Wohlfühleffekt überdeckt einige Widersprüche rund um Mendelssohn. Museumsdirektorin Hetty Berg verwies beim Rundgang auf das Gemälde „Der Lavater-Streit“ von Moritz Daniel Oppenheim von 1856, dem eine Wand gehört und das mit Hinweispfeilen und Erklärungen versehen ist. Darauf werden Moses Mendelssohn und sein Dichterfreund Gotthold Ephraim Lessing beim Schachspiel – einem Sinnbild von Logik, Vernunft und Gleichberechtigung – vom Schweizer Pfarrer und Philosophen Johann Caspar Lavater unterbrochen. Mendelssohn wird aufgefordert, Argumente gegen das Christentum vorzubringen oder sich taufen zu lassen. Die ganze gelehrte Öffentlichkeit hatte seinerzeit diesen Streit mitverfolgt. Mendelssohn blieb auf kluge Weise seinen aufklärerischen Toleranzidealen treu. Das Gemälde zeigt aber nicht, dass die Mendelssohn-Kinder, darunter auch die Linie des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, bald mehrheitlich konvertierten, um sich in die deutsche Kulturgesellschaft zu assimilieren.

Friedrich II. behinderte den Philosophen Mendelssohn

Eine Moses-Mendelssohn-Ausstellung ist möglicherweise im Deutschen Historischen Museum besser aufgehoben, wo den politischen und religiösen Widersachern und Widersprüchen mehr Pro-und-Kontra-Raum gewährt werden kann. Ansätze dazu finden sich im Jüdischen Museum im grünen Themenraum, wenn es um Friedrich II. geht. Von bürgerlichen Intellektuellen wird der Preuße gern als aufgeklärter Monarch gesehen. Aber sein „General-Reglement für die Juden“ von 1750, das als Wandtext zitiert wird, offenbart nur Intoleranz. Der aus Dessau eingewanderte Talmudschüler Moses Mendelssohn schaffte in Berlin immerhin den Aufstieg zum außerordentlichen Schutzjuden. Bürgerrechte blieben der Familie verwehrt. Seine Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften verhinderte der König.

In dem Ausstellungsraum stößt man auch wieder auf Lessing, der 1779 mit dem Schauspiel „Nathan der Weise“ seinem Philosophenfreund Moses ein Denkmal gesetzt hat. Die neue Mendelssohn-Schau lebt in den sieben Themenräumen von verspielten Details. Der Besucher sollte also Zeit und vor allem Lust am spielerischen Stöbern mitbringen.