Deutsche Oper

Stefan Herheims rätselhafte Bilder im „Ring“-Mythos

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Volker Blech
Siegfried im nachgebauten Opernfoyer.

Siegfried im nachgebauten Opernfoyer.

Foto: Bernd Uhlig

An der Deutschen Oper startet Wagners Zyklus „Der Ring des Nibelungen“. Die Neuinszenierung wird im Publikum kontrovers diskutiert.

An den großen Opernhäusern der Welt sind die Aufführungen von Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ traditionell die Höhepunkte der Saison. Es sind die künstlerischen Kraftakte, nicht nur wegen der insgesamt 16-stündigen Aufführungsdauer. In den vier Teilen muss ein Opernmythos heraufbeschworen werden, um das Wagner-Publikum anzulocken. Von Zwergen, Riesen und Göttern handelt das Symbolspiel des Menschlichen. In der Deutschen Oper an der Bismarckstraße beginnt am Dienstag, den 4. Januar, wieder mit „Das Rheingold“ ein neuer „Ring“-Zyklus. Bereits am Mittwoch folgt „Die Walküre“. „Siegfried“ steht am Freitag auf dem Programm, mit der „Götterdämmerung“ endet am Sonntag der Zyklus. Es ist der dritte Zyklus seit der ersten vollständigen Präsentation von Stefan Herheims Neuinszenierung im November.

Die Pandemie hinterlässt ihre Spuren, die internationalen Wagnerianer haben gerade einige Probleme anzureisen. Es gibt noch Karten für den gesamten Zyklus, und es ist sogar möglich, sich nur einzelne Opernabende anzuschauen. Darüber hinaus gibt es einen kleinen Nachschlag: Regisseur Stefan Herheim, Generalmusikdirektor Sir Donald Runnicles und die beiden Musikkritiker Julia Spinola und Albrecht Thiemann werden am Freitag, 14. Januar, um 18.30 Uhr, im Foyer über die neue „Ring“-Inszenierung debattieren. Ein bisschen Aufklärung tut not. Herheims szenische Neudeutung, die auf Götz Friedrichs überaus beliebten „Tunnel“-Ring folgt, hat im Publikum einige kontroverse Diskussionen ausgelöst. Der Bilderstürmer Herheim hat den Besuchern zwar raffinierte und faszinierende, aber auch rätselhafte Bilder vorgeführt. Für den Regisseur gab es Bravos und Buhs.

Die ganze Handlung entspringt einem schwarzen Flügel

Der norwegische, in Berlin lebende Opernregisseur Stefan Herheim (51) zeichnet auch für die Bühnenbilder verantwortlich. Seine Gesellschaftsanalyse ist ein düster-krudes Gesamtkunstwerk geworden – inmitten der alten Kofferberge auf der Bühne soll das ganze Weltendrama irgendetwas mit Flüchtlingen zu tun haben. Bei Herheim geht es wohl eher um Deportationen und Auschwitz. Im Zentrum aber steht ein Flügel, und die Handlung speist sich immer wieder aus Wagners Musik. Der schwarze Flügel wird zum Schöpfungsmotor.

„Ich finde es zum Teil wahnsinnig schwer, diese Art Übersetzungsarbeit zu versuchen“, sagte Stefan Herheim im vergangenen Sommer über seinen „Ring“. „Aber wie ich immer sage: Sterben ist irgendwo wie Liebe machen, und nirgendwo kommen Tod und Eros dichter zusammen als bei Wagner. Man kann vor allem eines: Versuchen, mit Würde zu sterben.“

Der „Ring“-Zyklus beginnt mit einem Schöpfungsspaß

Dabei beginnt der Zyklus im „Rheingold“ mit einem sehenswerten Schöpfungsspaß. Eine Gauklertruppe kommt auf die Bühne gewandert, aus den Koffern nehmen sie ihre Kostüme. Einer schminkt sich zum Clown und wird zum bösen Alberich. Herheim scheut bei Wagner auch den Klamauk nicht. Einiges erinnert eher an Fantasy und Comic, im Publikum wurde der Heldentenor Siegfried in der Pause beim Glas Sekt schnell auch zum Obelix.

Das holzgetäfelte Foyer mitsamt der Wandplastik „Alunos-Discus“ von George Baker findet sich in der „Götterdämmerung“ auf der Bühne wieder. Dort, wo das Publikum seinen Sekt trinkt, findet quasi der Siegfried-Mord statt. Die Anspielungen auf die Nazis, germanische Helden und Auschwitz bleiben problematisch, weil sie sich der Eindeutigkeit und Bewertung entziehen. Held Siegfried wird in der Rezeptionsgeschichte oft als Richard Wagners Alter Ego betrachtet. Herheim wagt eine Umdeutung: Mime trägt jetzt Wagners Barrett (Kostüme: Uta Heiseke) und zugleich das gestreifte Hemd eines KZ-Häftlings. Im Finale erscheint eine Putzfrau und fegt die Reste von der Bühne.